Eine Frage steht seit Wochen im Raum: Wie ansteckend ist die Delta-Variante des Coronavirus nun wirklich? Die Meldungen gingen in viele Richtungen: Einmal hieß es, schon das bloße Vorbeigehen an einer infizierten Person könne zur Ansteckung führen. Dann gab es wieder Entwarnung: Delta sei zwar um 60 Prozent ansteckender als etwa die Alpha-Variante, allerdings böten die herkömmlichen Schutzmaßnahmen und vor allem eine vollständige Impfung ausreichend Schutz.

"Wie Windpocken"

Nun geben US-amerikanische Expertinnen und Experten erneut Grund zur Sorge: In einem Paper der CDC (US-Seuchenbehörde) heißt es, die Delta-Variante sei so ansteckend wie Windpocken. Wer als Kind den Ausbruch dieser Krankheit in Kindergarten oder Schule miterlebt hat, weiß, das bedeutet, dass eine Infektion schwer zu verhindern ist, wenn man sich mit einer infizierten Person im selben Raum aufhält. Man müsse „anerkennen, dass sich der Krieg verändert habe“, heißt es in dem Papier.

Der Datenanalyse zufolge sei es der Variante auch möglich, den Impfschutz zu umgehen. Außerdem soll Delta zu schwereren Verläufen führen als etwa der Wildtyp, Alpha oder Beta. Das berichteten die New York Times sowie die Washington Postunter Berufung auf besagtes Dokument der Seuchenbehörde CDC. Florian Thalhammer, Internist und Infektiologe der MedUni Wien, erklärt: „Insgesamt ist die Delta-Variante infektiöser als Alpha, auch weil sie mit einer höheren Viruslast einhergeht und bei vielen Patientinnen und Patienten eine längere Virusausscheidung verursacht.“

Allerdings gelte auch weiterhin, dass eine Impfung unbedingt zu empfehlen sei. Denn insgesamt sei die Wahrscheinlichkeit, dass Geimpfte das Virus übertragen, trotz dieser Eigenschaften von Delta deutlich geringer als die Möglichkeit, dass Ungeimpfte das Virus übertragen.

Kein Schutzschild 

Woran es liegt, dass sich auch Geimpfte infizieren können, erklärte Bernd Lamprecht, Vorstand der Klinik für Lungenheilkunde am Kepler-Universitätsklinikum, schon vor einiger Zeit in einem Gespräch mit der Kleinen Zeitung: „Man kann sich das so vorstellen: Man trägt durch die Impfung ja nicht wirklich ein Schutzschild vor sich her, an dem alle Viren schon äußerlich abprallen. Es kann auch eine geimpfte Person von einer anderen angeniest oder angehustet werden. So können auch Viren die Atemwege oder den Nasen-Rachen-Raum eines Geimpften erreichen.“

Die Gute Nachricht: Ist jemand vollständig geimpft, bleibt trotz allem das Risiko eines schweren Verlaufs sehr gering. Laut CDC schützt die Impfung zu etwa 90 Prozent davor, im Falle einer Infektion schwer zu erkranken.

Neue Richtlinien 

Zuletzt hatte die CDC ihre Richtlinien angesichts der starken Ausbreitung der Delta-Variante angepasst und auch für Geimpfte in vielen geschlossenen Räumen wieder das Maskentragen empfohlen. Die hochansteckende Ausprägung des Virus hat in den USA nach älteren Angaben mehr als 80 Prozent Anteil an allen Infektionen - diese Zahl dürfte mittlerweile aber deutlich höher liegen. Unterdessen tritt die Vakzin-Kampagne mit 50 Prozent vollständig Geimpften US-Bürgern auf der Stelle, was eine Ausbreitung der Delta-Variante weiter antreibt.

In Österreich werden bereits strengere Maßnahmen diskutiert. Einige wurden schon beschlossen. So ändern sich etwa ab 15. August die Bestimmungen für Geimpfte in Bezug auf den Grünen Pass. Erst nach einer Vollimmunisierung erhält man dann sein Zertifikat. Denn die Delta-Variante entzieht sich leichter der Wirkung der Impfstoffe. Ein ausreichender Schutz ist erst nach der vollständigen Impfung gegeben. Thalhammer weist außerdem darauf hin, dass auch weitere Maßnahmen unbedingt notwendig sind: „Liegt eine Infektion vor, müssen, um weitere Ansteckung zu vermeiden, rasch die Kontaktpersonen lokalisiert werden. Dafür braucht es eine ehrliche und möglichst vollständige Angabe der Kontakte. Die schon vorhandenen Empfehlungen – 3-G-Regeln, Mund-Nasen-Schutz, Abstandsregeln – sollten ernst genommen werden. Die Impfbereitschaft muss gesteigert und die Impfmüdigkeit vermieden werden.“

Auch mit Impfung testen 

Trifft man sich mit vielen Menschen, kann Testen - auch wenn ein Impfschutz vorliegt - Sicherheit bringen: „In Hinblick auf Delta gibt es erste Daten, die zeigen, dass geimpfte Personen genau wie ungeimpfte Sars-CoV-2 übertragen könnten. In einigen Bereichen wie im Gesundheitswesen wurden und werden auch geimpfte Personen regelmäßig getestet. Sich trotz Impfung testen zu lassen, ist sicher in allen Bereichen empfehlenswert, wo viele Kontakte bestehen“, so Thalhammer.