Mit dem heutigen Tag enden die Ausgangsbeschränkungen: Ist es aus medizinischer Sicht gescheit, jetzt Oma und Opa auch wieder zu besuchen?

Dazu muss man wissen: Das Risiko, schwer an Covid-19 zu erkranken, steigt ab dem Alter von etwa 60 Jahren stetig an – daher zählen Menschen ab diesem Alter zur Risikogruppe, je höher das Alter, desto größer auch das Risiko für einen schweren Verlauf. Deshalb sollten Enkelkinder ihre Großeltern bis dato nicht besuchen. Wie ist die Situation jetzt?

Risikogruppen wie Ältere und Vorerkrankte sollen weiterhin geschützt werden. „Wir können für gefährdete Menschen aber auch nicht die völlige Isolation schaffen, das hat psychosoziale Folgen“, sagt Hans Jürgen Dornbusch, Kinder- und Jugendarzt und Infektionsexperte. Das Wichtigste sei, dass nicht nur Kinder, sondern generell jeder, der Symptome einer Erkältungskrankheit hat, zu Hause bleibt. Das Problem: Hat man sich mit dem neuartigen Coronavirus infiziert, ist man schon zwei Tage vor Auftreten der ersten Symptome ansteckend - und am ansteckendsten am Tag vor Symptombeginn. Daher bleibt es auch weiterhin wichtig, Hygienemaßnahmen einzuhalten.

Der Infektionsspezialist Bernhard Haas (Kages) unterstreicht: „Alle bislang gelernten Hygiene- und Verhaltensregeln müssen weiterhin konsequent eingehalten werden.“ Dazu zählt: die Hände gründlich waschen (20 bis 30 Sekunden, mit Seife und warmem Wasser) oder desinfizieren, Abstand von mindestens einem Meter zu Menschen einhalten, die nicht im gleichen Haushalt leben, die richtige Nies- und Hustetikette und einen Mund-Nasen-Schutz tragen.

Da diese Vorsichtsmaßnahmen bei Kindern unter sechs Jahren wohl nur schwer umzusetzen sind, rät Dornbusch bei dieser Altersgruppe eher von Besuchen bei hochbetagten Großeltern ab. Unter sechs Jahren sollten Kinder auch keinen Mund-Nasen-Schutz tragen, da sie damit nicht umgehen können und er damit keinen Schutzeffekt habe.

Mit älteren Kindern und Jugendlichen, die sich an die Hygiene-Empfehlungen und den Abstand halten, seien Besuche vertretbar – jedoch müsse immer abgeschätzt werden, welches Risiko damit für hochaltrige oder schwer kranke Menschen einhergehen kann. Ein weiterer Faktor: Im Freien ist das Ansteckungsrisiko generell geringer als in geschlossenen Räumen. Experten appellieren nun an den Hausverstand und die Eigenverantwortung bei Treffen über die Generationen hinweg.

Welche Rolle spielen Kinder?

Welche Rolle spielen Kinder generell bei der Übertragung des Virus? Diese Frage ist heiß diskutiert, bis dato zeigen Untersuchungen: Kinder scheinen – entgegen anfänglichen Befürchtungen – keine zentrale Rolle für die Ausbreitung der Pandemie zu spielen – daher sei auch die Öffnung der Schulen gerechtfertigt, sagt Werner Zenz, Infektionsspezialist an der LKH-Kinderklinik Graz. „Kinder erkranken seltener und wenn, dann meist nur milde.“ 

In China wurden 45.000 Fälle ausgewertet, nur ein Prozent aller Erkrankungen betraf Kinder unter zehn Jahren, die 10- bis 19-Jährigen machten nur 1,2 Prozent aller Erkrankten aus. Nur fünf Prozent erkrankten schwer, sodass Atemnot auftrat. In Island haben Forscher 13.000 Menschen auf das Virus getestet – bei Kindern unter zehn Jahren gab es keinen einzigen positiven Befund.

Und auch hierzulande gibt es erste Beobachtungen dazu: An der LKH-Kinderklinik Graz wurden bis dato 500 Kinder auf das Coronavirus getestet, die milde Symptome einer Erkältung oder Kontakt mit einem Infizierten hatten: „Von diesen 500 getesteten Kindern waren nur drei positiv“, sagt Volker Strenger vom LKH Graz.

Gleich ansteckend?

Die Frage aber, ob Kinder daher auch weniger ansteckend sind, hat durch eine Studie des Virologen Christian Drosten an der Berliner Charité neuen Zündstoff bekommen: Sie zeigt, dass Erwachsene und Kinder die gleiche Viruslast im Rachen tragen, wenn sie erkranken – und vermutlich gleich ansteckend sind.

Jedoch ist die allgemeine Studienlage widersprüchlich: Es gibt zum Beispiel den Fall des französischen Kindes, das mit einer Covid-Infektion an drei Skikursen teilgenommen und 172 Kontakte gehabt, aber keinen einzigen davon angesteckt hat. Eine Studie aus Australien zeigt, dass 18 positiv getestete Personen (je neun Schüler und Lehrer) in insgesamt 15 Schulen lediglich zwei weitere Personen angesteckt hätten.

„Wir wissen es einfach noch nicht definitiv“, sagt Zenz. Die Schulen schrittweise zu öffnen, sei aber die richtige Entscheidung, so der Experte – wichtig sei, genau zu überwachen, welche Folgen die Schulöffnung hat und dass ausreichend getestet werde. Auch Bildungsminister Heinz Faßmann reagierte auf die Drosten-Studie: Man habe die Entwicklung genau im Auge – bei einem starken Infektionsanstieg könnten die Schulen wieder geschlossen werden.

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