Einen besonders schweren Fall einer Sepsis durchlebte der Steirer Johann Diewald: Durch den Biss einer Spinne infizierte sich Diewald mit einem Keim, der sich durch seinen Körper fraß und sein ganzer Körper war von einer Sepsis betroffen.

"Die Sepsis ist, ganz anders als oft vermutet, keine seltene Erkrankung, sondern ein weitverbreitetes Gesundheitsproblem mit einer hohen Sterblichkeit", sagt Eva Schaden von der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin am heutigen Welt-Sepsis-Tag. Umgangssprachlich wird die Sepsis als Blutvergiftung bezeichnet.

Weltweit gebe es jedes Jahr rund fünf Millionen Todesfälle. In Europa erkranken pro Jahr rund 500.000 Menschen an einer solchen Komplikation.

Für Österreich fehlen aussagekräftige Daten, auf Basis der Hochrechnung deutscher Zahlen ist von etwa 28.000 Sepsis-Erkrankten und von rund 6.700 Sepsis-bedingten Todesfällen pro Jahr auszugehen. Damit liegt Sepsis unter den Top-Todesursachen in Österreich, noch vor "Volkskrankheiten" wie Schlaganfall, an dem 2018 laut Statistik Austria 4.569 Menschen verstarben, Herzinfarkt (4.527 Todesfälle), Lungenkrebs (4.050 Todesfälle) oder Unfällen (2.551 Todesfälle).

"Die Sepsis ist eine sehr häufige Todesursache, wobei ältere, multimorbide Menschen, aber auch Säuglinge und Kleinkinder besonders gefährdet sind. Das steht in krassem Widerspruch zur Tatsache, dass die Sepsis häufig als 'Blutvergiftung' verharmlost und nicht ausreichend ernst genommen wird", sagt Schaden. 

Bei Warnzeichen sofort reagieren

Aber was genau führt zu einer Sepsis? „Bei der Sepsis reagiert der Körper mit einer überschießenden Immunantwort auf eine Infektion“, erklärt Infektiologe Robert Krause von der Med Uni Graz.

Der Körper versucht, sich gegen Keime zu wehren, die Folge ist jedoch, dass die Organe des Körpers nicht mehr richtig funktionieren. Leber, Niere, Herz, Gehirn: Alle Organsysteme können kaputtgehen. Daher gilt die Sepsis auch als schwerste Komplikation, die durch eine Infektion ausgelöst werden kann. Sei es ein Harnwegsinfekt oder eine Lungenentzündung: „Eine Sepsis kann immer auftreten, wenn es Infektionsherde im Körper gibt“, sagt Intensivmediziner Philipp Metnitz.

Besonders groß ist die Gefahr, wenn der Patient ein geschwächtes Immunsystem hat. „Auch bei Operationen kann es passieren, dass Keime in den Körper gelangen und zu einer Sepsis führen“, sagt Metnitz.

Die typischen Warnzeichen: Verwirrtheit, veränderte Atmung, ein auffälliger Blutdruck. In der Behandlung zählt vor allem: Zeit. „Bei der schwersten Form der Sepsis sollte die Antibiotika-Therapie so rasch wie möglich, am besten innerhalb einer halben Stunde, beginnen“, sagt Metnitz.

Sepsis durch Spinnenbiss

Im September 2018 hatte Johann Diewald die Hecken geschnitten und wurde dabei von einer Spinne in die Stirn gebissen. Der Biss hinterließ nur eine kleine rote Schwellung. Doch plötzlich die Symptome: „Mir war schwindelig, ich hatte ein Stechen in der Nierengegend, musste mich übergeben. Meine Frau hat mich am Abend ins Krankenhaus gebracht.“

„Innerhalb von drei Tagen verschlechterte sich der Zustand von Herrn Diewald dramatisch“, erzählt Andreas Münch, Intensivmediziner an der LKH-Uniklinik Graz und Diewalds behandelnder Arzt. Die Entzündung breitete sich in die linke Augenhöhle aus, das Sehvermögen ging verloren. Dann traten entzündliche Abszesse in der Lunge auf, bis es schließlich zur Sepsis – im Volksmund Blutvergiftung – kam.

Seltenes Bakterium

Zu diesem Zeitpunkt wird klar, was in Diewalds Körper vor sich geht: Das Bakterium Staphylococcus aureus breitet sich aus. Es handelt sich um eine besonders Subspezies, die hochgiftige Stoffe produziert, die das Gewebe zerstören: Die menschliche Haut, Lungengewebe, Knochen, dieser Keim löst einfach alles auf, erklärt Robert Krause, der die Sektion Infektiologe an der Uniklinik leitet. Wie der Keim in Diewalds Körper kam? Übertragen durch den Biss der Spinne, vermuten die Experten.

Anfang Oktober 2018: Das Team von Thoraxchirurgin Freya Smolle-Jüttner musste ein Fünftel von Diewalds Lunge entfernen, da sie von der Entzündung zerstört war. Ab da hing Diewalds Leben von einer Herz-Lungen-Maschine ab. Es folgten: Ein Nierenversagen, Diewald hing an der Dialyse; eine Herzrhythmusstörung, Diewald bekam einen Schrittmacher, den er bis heute trägt; und die bange Zeit, in der nicht klar war, ob der Judenburger überhaupt aus dem Tiefschlaf aufwachen würde, denn eine Sepsis stört auch die Funktion des Gehirns.

Abgemagert und auf einem Auge blind

>>> Lesen Sie die ganze Geschichte von Johann Diewald und dem fatalen Spinnenbiss hier.

Doch Diewald überlebt: Er konnte wieder selbstständig atmen, wurde langsam klar im Kopf. „Am 1. November gelangen Ja-Nein-Antworten“, sagt Intensivmediziner Münch. Am 23. Jänner verließ Diewald die Klinik, von 90 auf 50 Kilo abgemagert, auf einem Auge blind und mit Nervenschäden in den Beinen, sodass ihm nachts sogar die Bettdecke auf den Zehen Schmerzen bereitet und er nicht mehr lange stehen kann. An Arbeit ist nicht zu denken, Therapien, um die er immer wieder neu ansuchen muss, begleiten ihn bis heute – aber er ist am Leben.