Die Meldung „Japan erlaubt Geburt von Mischwesen aus Mensch und Tier“ sorgte weltweit für Schlagzeilen. Die spanische Zeitschrift El Pais berichtete nun von Experimenten, bei denen angeblich menschliche, induziert pluripotente Stammzellen (iPS-Zellen) in Embryonen von Makaken verpflanzt wurden. Das Ziel: Das Entwicklungspotenzial bei näheren Verwandten des Menschen zu erforschen als bei den japanischen Versuchen mit Mäusen, Ratten und Schweinen.

Diese ethisch besonders umstrittenen Experimente mit nicht-menschlichen Affen erfolgten nach Angaben der Zeitung in Zusammenarbeit mit spanischen und chinesischen Forschern in China und seien zur Publikation bei einer renommierten Fachzeitschrift eingereicht.

Erste Versuche in China

Der Leiter dieser Experimente soll der Wissenschaftler Juan Carlos Izpisua Belmonte vom renommierten Salk Institute in San Diego sein. Dieser hatte bereits 2017 in der Fachzeitschrift „Cell“ über damals weitgehend vergebliche Versuche berichtet, menschliche iPS-Zellen an der Entwicklung von frühen Schweineembryonen zu beteiligen.

Nur sehr wenige Zellen menschlichen Ursprungs ließen sich dabei im 28 Tage alten Embryo wiederfinden; der Zeitungsbericht von El Pais spricht von einer pro 100.000 Schweinezellen – von einer chimären Organbildung konnte also aufgrund der hohen Artenbarriere keine Rede sein.

In einem Fachaufsatz von 2015 hatte Belmonte mit US-Forschern vermehrte Experimente an nicht-menschlichen Primaten gefordert, weil diese näher mit dem Menschen verwandt seien und China massiv in diesen besonders heiklen Bereich von Tierversuchen investiere. Offenbar lässt Belmonte inzwischen erste Affenversuche in China durchführen.

Japanischer Forscher verfolgt anderes Ziel

Auch der in Japan und zugleich an der kalifornischen Universität Stanford forschende Hiromitsu Nakauchi publizierte bereits am 4. Juni auf dem Preprint-Server bioRxiv eine allerdings bisher nicht begutachtete Forschungsarbeit, bei der iPS-Zellen von Schimpansen in 99 rund fünf Tage alte Embryonen von Makaken injiziert wurden, die zwei Tage nach der Injektion angeblich „cross-species chimeras“ bildeten.

Die Autoren schreiben: „Erstaunlich ist, dass die Schimpansen-iPSCs in der Nähe der inneren Zellmasse (ICM) von Embryonen von Rhesus-Makaken überlebt, sich vermehrt und integriert haben“. Ob sich diese Ergebnisse auch mit menschlichen iPS-Zellen erzielen ließen, lässt der Bericht offen.

Der renommierte Forscher Nakauchi will offenbar in einem stufenweisen Prozess menschliche induzierte pluripotente Stammzellen (iPS-Zellen) in sich entwickelnde tierische Embryonen verpflanzen, um erforschen zu können, unter welchen Bedingungen sich menschliche Zellen in eine Organentwicklung von Versuchstieren einbinden lassen. Fernes Ziel wäre damit die Züchtung menschlicher Organe in Tieren.

Stellungnahmen zu Mischwesen aus Menschen und Affen:

Hille Haker, Chair für Christliche Ethik, Loyola University Chicago:

„Die beiden Studienreihen von Nakauchi und Belmonte müssen gründlich verglichen werden – das geht nicht auf der Grundlage der vorliegenden Informationen. Das heißt: Vorsicht gegenüber jeder vorschnellen ethischen Bewertung! Allerdings: Interessant ist, dass jetzt zeitnah die verschiedenen Forschungen öffentlich werden. Das birgt eine gute Gelegenheit, um endlich eine Diskussion in Gang zu bringen, die ansonsten in den Hinterzimmern der Ethik-Kommissionen und Ethik-Zentren verschwindet.“

Jochen Taupitz, Direktor des Instituts für Deutsches, Europäisches und Internationales Medizinrecht:

„Der spanische Forscher Belmonte will offenbar transgene Menschenaffen erzeugen, also Tiere, die auch menschliches Erbmaterial in ihrer Keimbahn tragen, das sie weitervererben können. Das hat eine völlig andere Qualität als die Herstellung lediglich von (abgegrenzten) Organen, wie es der japanische Forscher Nakauchi versucht. Beide geplanten Versuche wären auch in Deutschland erlaubt – allerdings haben wir von Seiten des Deutschen Ethikrates schon 2011 gefordert, dass Versuche der Erzeugung von transgenen Menschenaffen wegen der nahen Verwandtschaft zu Menschen untersagt werden sollten. Die Versuche von Nakauchi halte ich dagegen sowohl ethisch als auch rechtlich für gut vertretbar.“

Peter Dabrock, Vorsitzender des Deutschen Ethikrats:

„Nun weiß man bisher noch wenig über die Versuche des Belmonte-Teams. Entscheidend wird technisch und ethisch sein, ob und wie eine Ausstreuung der menschlichen Zellen in das Gehirn beschränkt wird. Dies zu verhindern, war in der ausführlichen Stellungnahme des Deutschen Ethikrats zu Mensch-Tier-Mischwesen von 2011 als ein ethisch entscheidend zu beachtender Punkt bei Chimärenversuchen identifiziert worden.

Über diesen wichtigen Punkt hinaus, zu dem aber noch nicht hinreichend klare Informationen vorliegen, lassen die von den beiden Gruppen jeweils gewählten Verfahren unterschiedliche ethische Einstellungen erkennen: Die Japaner haben angekündigt, Schritt für Schritt vorzugehen, wollen sich extern überwachen lassen und haben eine rote Linie markiert und suchen das Gespräch mit der Öffentlichkeit. Wenn alles so durchgeführt wird, sind dies vorbildliche Schritte für eine Forschung, die von nicht Wenigen wegen der Erinnerung an mythische Figuren als gruselig oder verstörend wahrgenommen wird.

Anders dagegen das, was man aus China hört. Wobei man beachten sollte, dass ein noch nicht veröffentlichter Zwischenstand bekannt geworden ist: Der Spanier Juan Carlos Belmonte verlagert seine Forschung nach China, um der strengen Gesetzgebung im eigenen Land zu entgehen. Sein Vorgehen wirft mal wieder die Frage auf, wie man angesichts einer globalen Wissenschaftsgemeinde damit umgehen soll, wenn Forscher sich an einem Projekt beteiligen, das im eigenen Land verboten ist.“

Rüdiger Behr, Deutsches Primatenzentrum – Leibniz-Institut für Primatenforschung:

Affe-Mensch-Mischwesen nach den Verfahren, die hier diskutiert werden, halte ich für unethisch. Maus-Mensch- oder Schwein-Mensch-Mischwesen müssen aus meiner Sicht aber anders beurteilt werden als Affe-Mensch-Mischwesen. Wichtig ist dabei, einem Missverständnis vorzubeugen, wenn man über Mischwesen spricht: das, was in Japan geplant ist, ist ein Schwein mit einer Bauchspeicheldrüse aus menschlichen Zellen. Das Schwein sieht aus wie ein normales Schwein und vermutlich wird kein Mensch äußerlich ein solches Schwein-Mensch-Mischwesen von einem normalen Schwein unterscheiden können. Bei einem Schwein-Mensch-Mischwesen zur Herstellung einer Ersatzbauchspeicheldrüse würde der Anteil der menschlichen Zellen geplanter Weise wohl weniger als ein Prozent am gesamten Tier ausmachen.“