Jeder fünfte Österreicher lebt mit einem gewissen Grad an Hörverlust. Ab dem 60. Lebensjahr ist jeder zweite betroffen. Diese Einschränkung wirkt sich nicht nur auf akustische Reize aus, sondern beeinflusst Sozialleben und kognitive Fähigkeiten, erläuterte Experten bei einem Pressegespräch am Mittwoch in Wien. Hörverlust zählt zu den wichtigsten Risikofaktoren für Demenz. Musik kann helfen.

Zehn Jahre dauere es im Durchschnitt, bis eine Person mit Hörverlust einen HNO-Facharzt aufsuche, hieß es vor Medienvertretern. Der Hörlösungs-Hersteller Med-El hatte unter dem Motto "Durch das Ohr zum Herzen - Über die Macht der Musik und die Bedeutung guten Hörens" Mediziner geladen, die aktuelle Erkenntnisse teilten. Hörimplantate kommen dann zum Einsatz, wenn Hörgeräte nicht mehr helfen. Neben dem Cochlea-Implantat stehen unter anderem die elektrisch-akustische Stimulation oder Mittelohr-, Knochleitungs- oder Hirnstamm-Implantate zur Verfügung.

Neurowissenschaftler Andrej Kral von der Medizinischen Hochschule Hannover erläuterte, wie Gehörlosigkeit das Gehirn verändert und beeinflusst: Bei Kindern gibt es einen klaren Zusammenhang mit der frühen auditiven und sprachlichen Entwicklung und kognitiver Fähigkeiten, bei Erwachsenen kann auch im höheren Alter das Hörvermögen Vorgänge im Gehirn mitbestimmen. "Nicht-Hören ist der wichtigste bekannte und veränderbare Faktor, der das kognitive Altern beeinflusst.", erläuterte Kral. Hören müsse allerdings "gelernt" werden: Das Gehirn verarbeitet Informationen und bildet Synapsen, die sich nach der Geburt in der Hirnrinde entwickeln. Gesteuert wird diese Entwicklung vom Hören. Aktivität lässt Synapsen entstehen und hält sie aufrecht, Inaktivität führt zu ihrem Abbau. Dabei geht es nicht nur um gesellschaftliche Isolation und Inaktivität wegen der eingeschränkten Kommunikationsfähigkeit: Erste Daten einer aktuellen Untersuchung lassen vermuten, dass eine erfolgreiche Hörtherapie Altersdemenz verlangsamen kann.

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Seit 25 Jahren ist das Neugeborenen-Hörscreeing im Mutter-Kind-Pass verankert. Babys, die mit einer hochgradigen Hörbeeinträchtigung geborenen werden, sollten meist am besten innerhalb des ersten Lebensjahres operiert werden. Zum Einsatz kommen häufig ein bis zwei Cochlea (=Hörschnecke)-Implantate. Diese ermöglichen in den meisten Fällen einen "normale" Entwicklung.

Vor 15 Jahren wurde noch hauptsächlich Kinder mit Hörimplantaten ausgestattet, heute sind es zu 70 Prozent Erwachsene. Die Eingriffe sind meist Routine mit minimalem Risiko und sollte möglichst rasche durchgeführt werden, erklärte Wolfgang Gstöttner, Vorstand der HNO-Universitätsklinik an der MedUni Wien. "Je kürzer die Zeit der Schwerhörigkeit ist, umso besser funktioniert das Hören mit Implantat". Wie bei jeder Prothese sei im Anschluss ein Training sinnvoll, Musik dabei ein wichtiger Bestandteil - sowohl aktiv als auch passiv, ergänzte Patrick G. Zorowka, Direktor der Universitätsklinik für Hör-, Stimm- und Sprachstörungen der MedUni Innsbruck. Die Patienten müssen vor allem lernen, die neuen Reize im Gehirn zu verarbeiten. Musik als hochspezifische Schallbild spielt unter anderem eine essenzielle Rolle beim "Feintuning".

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