Gleich vorweg: Fliegen Sie gerne?

Irene Rausch: Ja, ich fliege sehr gerne. Ganz ohne Angst. Aber rund ein Drittel aller Passagiere leidet an Flugangst.

Wie kann sich diese Angst bemerkbar machen?

Ein Klassiker ist, dass man sich im Vorfeld viele Gedanken macht, auch Unruhegefühle können auftreten. Man fühlt sich bei dem Gedanken, ins Flugzeug einzusteigen, nicht wohl. Herzklopfen, schweißnasse Hände, Gefühle von Übelkeit oder Beklemmung, Atemnot, das Gefühl, eingeschlossen zu sein, aber auch die Angst vor einem Absturz können auftreten.

Welche Auslöser kann es überhaupt für diese Ängste geben?

Die Auslöser können unterschiedlich sein. Die Luft ist für uns Menschen kein vertrautes Element, eine gewisse Grundskepsis ist bei fast allen vorhanden. Wenn man im Flugzeug sitzt und Turbulenzen als gefährlich einstuft, oder dies auch nur erzählt bekommt, kann man da schnell Angst verspüren. Es ist eine verzerrte Einschätzung einer Situation. Ein anderer Auslöser kann auch der Kontrollverlust sein, eben dass man sich ausgeliefert fühlt. Dass man in der Höhe nicht eingreifen kann, sollte etwas geschehen. Auch Angst vor Höhe und die Angst vor dem Sterben sind möglich.

Irene Rausch, Psychologin
Irene Rausch, Psychologin © kk

Gibt es also einen Zusammenhang mit anderen Ängsten und der Flugangst?

Ja, wenn andere Ängste im Leben auch eine Rolle spielen, geht die Flugangst oft einher.

Können auch Flugzeugabstürze Angst auslösen?

Jedes Flugzeugunglück führt dazu, dass das Fliegen als noch gefährlicher oder bedrohlicher eingeschätzt wird. Was es aber nicht ist. Das ist lediglich eine verzerrte Risikoeinschätzung. Das Fliegen gehört zur sichersten Art, sich im Verkehrsleben fortzubewegen. Flugangst ist eine irrationale Angst.

Die Flugangst entwickelt sich erst im Laufe des Lebens?

Ja, sie ist keine Angst, mit der man auf die Welt kommt. Sie wird durch verschiedene vermeintlich ungünstige Erfahrungen erlernt. Das Gute ist: Da die Angst erlernt wird, kann sie auch wieder verlernt oder umgelernt werden.

Kann die Flugangst also auch vollständig verschwinden?

Es geht bei Ängsten darum, dass man sie gut in den Griff bekommt. Wenn ich weiß, dass es eine Situation gibt, in der ich mich unwohl fühle, kann ich diese mit der richtigen Strategie bewältigen. In weiterer Folge kann es zu einer Angstfreiheit kommen. In den Seminaren mache ich auch viele praktische Übungen, Atem- und Entspannungsübungen. Die Teilnehmer gehen zudem in einen Flugsimulator, wo etwa Turbulenzen simuliert werden. Zum Abschluss gibt es dann einen Flug, um das Erlernte umzusetzen. Das ist die Konfrontation. Angst ist immer heilbar, aber es ist eine Trainingssache. Natürlich gehört eigenes Mittun dazu.

Was kann man nun selbst machen, um die Flugangst zu lindern?

Wenn man das Gefühl hat, es nützt, kann man Baldriantropfen und pflanzliche Präparate nehmen. Vorsicht ist bei chemischen Medikamenten und Alkohol geboten, da die Einnahme keine gute Bewältigungsstrategie ist. Wesentlich wirkungsvoller ist es, Stress bereits im Vorfeld zu vermeiden, denn Angst und Stress stehen in hohem Zusammenhang. Man sollte bewusst nicht direkt von der Arbeit in den Flieger steigen, sondern sich ein bis zwei Tage Pause zur Vorbereitung gönnen. Effizient und wirkungsvoll ist es auch, sich mit Atem- und Entspannungsübungen zu beschäftigen. Alleine eine simple Bauchatmung kann sehr viel bewirken.

Wie sieht es mit der Gedankenkontrolle aus? Man fürchtet sich ja vor einer nicht realen Gefahr.

Es ist wichtig, die Gedankenkontrolle zu übernehmen, das sollte man aber bereits im Vorfeld üben. Wenn die Gedanken entgleisen, sollte man die Zügel wieder selbst in die Hand nehmen und die destruktiven Gedanken durch positive ersetzen. Man kann zum Beispiel an einen schönen Urlaubsort denken. Und sich auch wieder Zahlen in Erinnerung rufen: Immerhin ist es statistisch gesehen unwahrscheinlicher, einen Flugzeugabsturz mitzuerleben, als einen Lotto-Sechser zu haben.