EU-Experten zeigten sich am Montag in Brüssel aus Anlass des bevorstehenden Antibiotikatages am 18. November besorgt über die Entwicklung in diesem Bereich. Die ehemals schärfsten Waffen gegen gefährliche bakterielle Infektionen könnten drastisch an Wirkung verlieren, hieß es.

"Die Daten, welche das Europäische Zentrum für Krankheitskontrolle (ECDC) veröffentlicht hat, zeigen, dass die Gefahr durch Antibiotika-Resistenzen täglich steigt. Wenn diese Entwicklung nicht unter Kontrolle gebracht wird, hat sie die Macht, die Uhr in der Medizin um hundert Jahre zurückzudrehen", wurde der EU-Kommissar für Gesundheit und Ernährungssicherheit, Vytenis Andriukaitis, in einer Aussendung des ECDC zitiert.

Ähnlich äußerte sich die geschäftsführende Direktorin des Zentrums, Andrea Ammon: "Die weitere Ausbreitung von Bakterien, die gegen Carbapeneme als (für manche Infektionen; Anm.) letzte verfügbare Mittel ist in der EU großer Grund für Sorge. Denn für Patienten, die mit solchen Keimen infiziert sind, gibt es nur noch beschränkte Behandlungsmöglichkeiten." Maßnahmen auf lokaler, nationaler und EU-Ebene müssten ergriffen werden, um diese Entwicklung zu stoppen.

Es gibt auch Fortschritte

Es gebe aber auch Fortschritte, sagte Andrea Ammon: "Dass in fünf europäischen Staaten der Antibiotikaverbrauch zurückgegangen ist, zeigt, dass Europa in Richtung eines verantwortungsvolleren Gebrauchs dieser Mittel geht. Die sinnvolle Verwendung von Antibiotika in und außerhalb der Spitäler ist entscheidend dafür, dass man den größten Nutzen aus diese Medikamenten herausholt."

Die WHO-Generaldirektorin für die Region Europa betonte in der Aussendung schließlich, dass es zwischen EU- und benachbarten Nicht-EU-Staaten wenige Unterschiede gebe. Alle Länder müssten auf diesem Gebiet zusammenarbeiten.

Österreich unter EU-Schnitt

Insgesamt stieg in Europa zwischen 2010 und 2014 die Zahl der verwendeten Antibiotika-Tagesdosen pro 1000 Einwohner sowohl im Bereich der niedergelassenen Medizin als auch in den Spitälern. In den EU/EWR-Ländern erhöhte sich der Antibiotikaverbrauch außerhalb der Spitäler signifikant von 20,1 auf 21,6 Tagesdosen pro 1000 Einwohner (Österreich: 15 bzw. 13,9; Frankreich zum Beispiel: 28,2 bzw. 29,2; Großbritannien: 18,7 bzw. 20,9). Österreich liegt an guter fünfter Stelle. Spitzenreiter sind die Niederlande (11,2 bzw. 10,6 Tagesdosen).

Auch im Spitalssektor zeigte sich in den EU/EWR-Ländern zwischen 2010 und 2014 mit einem Anstieg des Antibiotikakonsums von 1,9 auf 2 Tagesdosen pro 1000 Einwohner ein signifikanter Zuwachs. Die Niederlande (1,0 Tagesdosen/1000 Einwohner) sind Spitzenreiter, Länder wie Großbritannien, Finnland und Belgien (um 2,6 Tagesdosen) sind am unteren Rand der Skala. Daten aus Österreich lagen dazu nicht vor.

Insgesamt zeigt sich in Österreich bei der Verwendung systemisch wirksamer Antibiotika (Tabletten, Infusionen) eine stabile Situation mit seit 2013 wieder rückläufigen Trends, die aber statistisch nicht signifikant sind. Die Alpenrepublik liegt in allen ECDC-Statistiken im Spitzenfeld. In südeuropäischen und osteuropäischen Staaten werden Antibiotika seit vielen Jahren deutlich häufiger verwendet. Außerdem sind dort die Abgabemodalitäten oft weniger streng geregelt als zum Beispiel mit der in Österreich vorgesehen Rezeptpflicht.

Beunruhigende Verbreitung

Allerdings sind die Experten zunehmend beunruhigt über die Verbreitung von Darmbakterien, welche auch gegen die bisher als "letzte Mittel" verwendeten Carbapenem-Antibiotika resistent geworden sind. In drei europäischen Ländern zeigte sich bei diesen typischen Spitalsmedikamenten, dass Patienten mit Infektionen auch in Krankenhäusern oft nicht mehr ausreichend behandelt werden können. Besonders betroffen sind hier Länder wie Italien, Griechenland und die Türkei, fast ebenso zum Beispiel Frankreich, Spanien, Ungarn und Polen. Das Problem liegt darin, dass mit einer vermehrten Resistenzbildung gegenüber herkömmlichen Antibiotika auch der Druck dazu steigt, die "Reserveantibiotika" im Spital einzusetzen. Das macht dann auch diese Mittel sehr leicht stumpf.