Es betrifft mindestens 20 Prozent aller Frauen weltweit und kann weitreichende Auswirkungen auf den gesamten Stoffwechsel haben – trotzdem ist das polyzystische Ovarialsyndrom, kurz PCOS, noch immer wenig bekannt. Der Name ist irreführend, denn er suggeriert, dass es bei diesem Syndrom vor allem um die weibliche Fruchtbarkeit – die Eierstöcke, medizinisch: Ovarien – geht. Tatsächlich sind die Konsequenzen weitreichender.

„Mit dem PCO-Syndrom einhergehen weitreichende Veränderungen im Insulin- und Energiestoffwechsel“, sagt Barbara Obermayer-Pietsch, Professorin für Endokrinologie am LKH-Uniklinikum Graz/Med-Uni Graz. Obermayer-Pietsch forscht seit vielen Jahren zu PCOS und erklärt, dass diese hormonelle Veränderung in der Frühzeit der Menschheit sogar ein Überlebensvorteil war. „Jene Erscheinungen, die Betroffene heute sehr belasten, wie die Neigung zu Übergewicht oder die vermehrte Körperbehaarung waren evolutionsbiologisch gesehen super.“ Wer vermehrt Fettreserven anlegen kann, überlebt lange, kalte Winter oder Hungerzeiten eher – und auch eine eingeschränkte Fruchtbarkeit konnte für frühzeitliche Frauen ein Vorteil sein, da weniger Schwangerschaften das Überleben von Müttern und Kindern verbessert haben dürften.

Wie eine PCOS-Diagnose gestellt wird

Für eine PCOS-Diagnose müssen zwei dieser drei Kriterien erfüllt sein: Störungen des Zyklus, erhöhte Werte von männlichen Hormonen und kleine Zysten an den Eierstöcken, von denen sich der Name des Syndroms ableitet. Ein Übermaß an männlichen Hormonen kann zu Zyklusstörungen führen. „Viele Frauen mit PCOS haben keine Probleme damit, schwanger zu werden“, sagt Obermayer-Pietsch – gleichzeitig ist das Syndrom aber eine wichtige Ursache für einen unerfüllten Kinderwunsch, da betroffene Frauen sehr unregelmäßige Zyklen oder keinen Eisprung haben können.

Die Störungen im Insulinstoffwechsel wiederum führen dazu, dass Betroffene an extremen Heißhungerattacken leiden: „Der Blutzuckerspiegel fällt zu rasch ab, das löst im Gehirn einen wahren Hungerschub aus“, sagt Obermayer-Pietsch. Da Betroffene dagegen „an-essen“, sei Übergewicht oft die Folge.

Gesteigertes Krebsrisiko

Die Störung im Insulin-Haushalt hat aber noch weitere Folgen – so werde auch das Wachstumshormon IGF-1 vermehrt produziert, das wiederum das Krebsrisiko steigern kann. Und auch Diabetes Typ 2 ist eine mögliche Folgeerscheinung des PCOS. „All diese Stoffwechsel-Veränderungen können auch Männer betreffen“, unterstreicht Obermayer-Pietsch. So leiden Männer mit den entsprechenden Genen nicht nur an Haarausfall, sondern hätten auch ein zwölffach erhöhtes Risiko für Herzinfarkt. Zu den zahlreichen erblichen Faktoren von PCOS mit Proben von mehr als einer halben Million Frauen und Männern wird in Kürze eine Studie mit Beteiligung der Med Uni Graz erscheinen.

Zwar können äußerliche Erscheinungen wie Übergewicht oder die männliche Körperbehaarung bei Frauen ein Hinweis auf das Syndrom sein – es gebe aber genauso viele betroffene Frauen, die auf den ersten Blick nicht wie „PCOS-Frauen“ aussehen, sagt Obermayer-Pietsch.

Ernährungsumstellung als Teil der Therapie

So wie Paula Mauser, eine schlanke, sportliche junge Frau: „Ich hatte nach zehn Jahren Einnahme die Pille abgesetzt. Dann hatte ich drei Jahre lang gar keine Regelblutung“, erinnert sie sich. Über ihre Gynäkologin kam es zur Verdachtsdiagnose, eine Hormonuntersuchung brachte Gewissheit. Und Diätologin Mauser begann sich zu fragen: Was kann ich selbst tun, um gut mit der Diagnose leben zu können? Heute berät sie PCOS-Betroffene in Ernährungsfragen – auch Obermayer-Pietsch bestätigt: „Eine Ernährungsumstellung ist der wichtigste Faktor in der Therapie.“

Hierbei lautet das Schlagwort: „slow carb“. Langsam zu verdauende Kohlenhydrate in Form von Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten oder Pseudogetreide wie Quinoa verhindern den raschen Anstieg des Blutzuckerspiegels. Die Finger lassen sollte man von „schnellem“ Zucker wie in Weißmehlprodukten, Süßigkeiten oder größeren Mengen an Obst. Ebenso wichtig sei es, Essenspausen von vier bis sechs Stunden einzuhalten – „drei Mahlzeiten pro Tag und kein Snacken zwischendurch, das sollten PCOS-Betroffene durchhalten“, sagt Obermayer-Pietsch.

Ein zentrales nicht-hormonelles Medikament in der Behandlung von PCOS heißt Metformin: Dieses Diabetes-Medikament könne nicht nur den Insulin-Stoffwechsel verbessern, sondern bringe den gesamten Hormonhaushalt in Balance, erklärt die Endokrinologin – auch die männlichen Hormone werden reduziert, der Zyklus normalisiert sich. Abschließend unterstreicht Obermayer-Pietsch: „Bei PCOS handelt es sich eigentlich um keine Erkrankung, sondern eine Spielart der Natur, wie sie auch im Tierreich in ähnlicher Weise vorkommt.“