Rund ein Jahr nach ihrer Covid-19-Infektion ist bei rund zwei Drittel der Teilnehmer einer groß angelegten Wiener Studie zufolge ein "doch deutliches" Abfallen der Antikörpertiter zu verzeichnen. Das erklärte Marie-Kathrin Breyer vom Ludwig Boltzmann Institut für Lungengesundheit am Dienstag in einem Online-Vortag. Eine Erkenntnis aus der Untersuchung sei auch, dass hohe Antikörperlevels nicht unbedingt einen Schutz vor Reinfektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus bieten.

Für ihre Covid-19-Dunkelzifferstudie rekrutierte das Team um die an der Klinik Penzing tätige Lungenspezialistin Wien-weit mehr als 12.000 Teilnehmer aus dem Pool jener rund 15.000 Hauptstädter zwischen sechs und 80 Jahren, die seit 2012 an der Lungengesundheitsstudie "LEAD" teilnehmen. Da diese Stichprobe für die Wiener Bevölkerung repräsentativ ist, lag es nahe, diese Personen zur Blutabnahme einzuladen, sagte die Medizinerin im Rahmen der Vortagsreihe "Wien erforscht Corona" des Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF). Durchgeführt wurde die Untersuchung kurz nach dem ersten Lockdown im Frühjahr des vergangenen Jahres.

Hohe Dunkelziffer

Ziel war es, zu diesem Zeitpunkt die Dunkelziffer an Covid-19-Erkrankten über die erste Welle zu erheben. Analysiert wurde dies durch den Nachweis von durch das Immunsystem gebildeten Antikörpern gegen das SARS-CoV-2-Virus in den Blutproben. Dabei stellte sich heraus, dass die sogenannte Seroprävalenz vor rund einem Jahr bei "sehr niedrigen" 1,3 Prozent lag. Im Vergleich mit zu diesem Zeitpunkt rund 3000 PCR-Nachweisen von Covid-19-Erkrankungen in der Hauptstadt lag dementsprechend die Dunkelziffer knapp mehr als siebenfach höher, erklärte Breyer. Man sehe hier, dass es mit dem "harten Lockdown" damals gelungen ist, die Erkrankungswelle derart zu drücken, dass dann nahezu vier Monate lang ein "doch recht beschränkungsfreier Sommer" möglich war.

Nachhaltigkeit der Antikörper im Blut

Die im Rahmen der Studie vor einem Jahr nachweislich Covid-19-infizierten Teilnehmer untersuchten die Wissenschafter in Abständen von sechs und zwölf Monaten erneut auf gegen den Erreger gerichtete Antikörper. "Wir wollten uns die Nachhaltigkeit dieser Antikörper im Blut anschauen", sagte Breyer. Immerhin hatte vor einem Jahr rund die Hälfte der positiv Getesteten - oder 71 Personen - ein hohes Antikörperlevel. Zwölf Monate später reduzierte sich diese Gruppe auf nur noch 15 Prozent (21 Personen). Die Hälfte der einst mit hohen Titern gesegneten Teilnehmern seien mittlerweile der Gruppe mit mittleren Titern zuzurechnen. Bei einem Viertel wurde ein Abfall auf ein niedriges Niveau über rund ein Jahr hinweg registriert, so die Daten aus der kurz vor der Veröffentlichung im Fachmagazin "Scientific Reports" stehenden Analyse. In der Gruppe mit zunächst mittlerem Antikörperlevel fielen fast 60 Prozent auf ein niedriges Niveau. Letztere Gruppe wuchs von 13 Prozent auf 45 Prozent an. In Summe müsse man festhalten, dass "rund zwei Drittel aller SARS-CoV-2-Infizierten mit dem Niveau ihrer Antikörpertiter über ein Jahr doch deutlich abfallen", so die Forscherin.

Man sehe aber auch einige Personen, bei denen die Titer stark hinauf gehen. Teilweise sei das bereits auf einen "Boost" durch die Impfung zurückzuführen. Dieses Anheben der Antikörper "kann schwere Verläufe verhindern, auch wenn es nicht immer die Übertragung verhindert", diese jedoch deutlich erschwere, zeigte sich Breyer überzeugt.

Weder geschützt, noch vor Reinfektion gefeit

In dieser Gruppe seien aber auch "Personen dabei, die sich reinfiziert haben", sagte die Forscherin: "Das ist die schlechte Nachricht." Insgesamt zeige die "LEAD-Covid-19-Studie" eben auch, "dass uns die Höhe der Antikörper nichts darüber sagt, ob ich immun bin, ob ich SARS-CoV-2 übertragen oder ob ich vor einer Reinfektion geschützt bin". Obwohl neutralisierende Antikörper vorhanden waren, konnten sich einzelne Teilnehmer eben erneut anstecken, so ein Fazit. Dies werde man vor allem noch in Bezug auf den Einfluss der zellulären Immunantwort weiter untersuchen, betonte Breyer.

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Neben der Immunantwort hat sich das Team auch die Häufigkeit der Übertragungen im Haushalt im Rahmen der ersten Welle angesehen: Insgesamt kam man hier auf eine Wahrscheinlichkeit von 31 Prozent. Nicht überraschend war, dass Personen mit hoher Viruslast auch eher ein anders Haushaltsmitglied ansteckten. Keinen Einfluss hatte, ob unter einem Dach nur Erwachsene oder auch Kinder zusammenlebten. Der wichtigste Schutzfaktor war, wie gut sich das betroffene Haushaltsmitglied in Isolation begeben konnte.