Nur noch eine Seite! Diese Bitte haben viele als Kind an ihre Eltern gerichtet, wenn abends vor dem Schlafengehen eine Geschichte vorgelesen wurde. Und egal ob Märchen, Erzählungen über Freundschaften oder spannende Detektivromane: Vorlesen wirkt sich positiv auf die Entwicklung von Kindern aus. Wenn heute der Österreichische Vorlesetag über die virtuelle Bühne geht, werden viele Kinder und Erwachsene vor den Bildschirmen den unterschiedlichsten Geschichten lauschen. Aber damit Vorlesen das Lesenlernen von Kindern fördert, sollte regelmäßig und vor allem auch von den Bezugspersonen vorgelesen werden. Das zeigt auch die jährlich durchgeführte Vorlesestudie der "Deutschen Stiftung Lesen".

So fällt vier von fünf Kindern, denen zu Hause mehrmals pro Woche oder sogar täglich vorgelesen wurde, das Lesenlernen in der Schule leichter. Im Gegensatz dazu zeigt sich, dass 50 Prozent der Kinder ohne Vorleseerfahrungen Probleme dabei haben. Diese Kinder geben auch an, dass sie vom Lesen frustriert seien, weil es so lange dauert, es zu erlernen.

Außerdem zeigt sich, dass jene Kinder, die vorgelesen bekommen, später auch mehr Motivation zeigen, selbst zu lesen und somit ihre Sprachentwicklung und ihren Wortschatz weiter fördern. Und auch die kognitive Entwicklung in anderen Bereichen sowie die Schulleistung im Allgemeinen steigen, wenn Kindern regelmäßig vorgelesen wird.

Im Rahmen der Vorlesestudie 2020 ging aus der Befragung von 528 Eltern hervor, dass rund ein Drittel der Befragten ihren Kindern nur selten oder gar nicht vorliest. Aber was sind die Gründe dafür? Viele Eltern geben an, dass sie mit dem übrigen Alltag so ausgelastet seien, dass ihnen die Energie fehle ihren Kindern auch noch vorzulesen.

Ein weiterer Grund scheint zu sein, dass es in vielen Haushalten einfach zu wenig Lesestoff gibt. So gaben 68 Prozent der Befragten an, dass sie maximal zehn Kinderbücher zu Hause haben. Die meisten davon fänden es auch wünschenswert, dass ihr Nachwuchs öfter Buchgeschenke bekäme. Dass diese förderlich wären zeigt auch die Studie: Denn Buchgeschenke erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass Eltern ihren Kindern vorlesen. Im Sinne der Kinder wäre das allemal: Im Schnitt wünscht sich jedes dritte Kind, dass ihm häufiger vorgelesen wird.

Sozial kompetenter

Die positiven Effekte gehen aber weit über die schulischen Erfolge hinaus: Durch das Kennenlernen unterschiedlicher Geschichten erfahren Kinder Dinge, die über die persönlichen Erlebnisse hinausgehen. Das erweitert den Horizont und regt die Fantasie an. Kinder, denen häufig vorgelesen wurde, zeigten sich der Studie zufolge selbstbewusster und achteten mehr darauf, andere Kinder in Spiele und Gemeinschaften zu integrieren. 85 Prozent der Kinder, denen täglich vorgelesen wurde, besitzen nach Aussage ihrer Mütter einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, im Unterschied zu 40 Prozent der übrigen Kinder.

Mehr Vertrauen

Dazu kommt, dass das gemeinsame Eintauchen in Erzählungen eine vertrauensvolle Stimmung zwischen allen Beteiligten schafft. Die Geschichten liefern Gesprächsstoff und bieten Kindern auch eine Atmosphäre, in der es ihnen leichter fällt, schwierige Themen anzusprechen.

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