1. Ein Bewerbungsgespräch ist für beide Seiten eine Gratwanderung zwischen Informationspflicht- und -bedarf und dem Schutz der Privatsphäre. Wo verlaufen die Grenzen?

ANTWORT: „Im Vorstellungsgespräch soll der Arbeitgeber zwar die Möglichkeit haben, das potenzielle wirtschaftliche Risiko so gering wie möglich zu halten. Aber Intimsphäre und Persönlichkeitsrechte des Bewerbers müssen gemäß Paragraf 16 ABGB respektiert werden. Wo in diesem Spannungsfeld die Informationspflicht des Arbeitnehmers beziehungsweise das Fragerecht des Arbeitgebers anfängt und wo es endet, muss in jedem Einzelfall abgewogen werden“, sagt Christine Milz vom Rechtsservice der D.A.S. Rechtsschutz AG. Auch im Licht des Gleichbehandlungsgesetzes seien einige Grundregeln zu beachten. Es gebe aber gewisse Richtlinien, die insbesondere von Arbeitgebern und Recruitern zu beachten sind.

2. Welche Fragen darf ein Arbeitgeber keinesfalls stellen?

ANTWORT: Fragen nach dem Vorliegen einer Schwangerschaft bzw. der Familienplanung sind unzulässig. Milz: „Eine Bewerberin muss eine unzulässigerweise gestellte Frage auch nicht wahrheitsgemäß beantworten. Fragen zum persönlichen Umfeld wie Beziehungspartner oder Verwandtschaft müssen Sie grundsätzlich nicht beantworten. Ebenso wenig zur sexuellen Orientierung.“ Keine Auskunftspflicht des Arbeitnehmers besteht, wie Milz betont, auch bei einer Parteizugehörigkeit. „Das Thema kann für den Arbeitgeber aber in sogenannten Tendenzbetrieben relevant sein. Hier kann die Eigenart des zu besetzenden Arbeitsplatzes eine Auskunftserteilung sachlich rechtfertigen.“

3. Lässt sich die Frage nach dem Gesundheitszustand rechtfertigen?

ANTWORT: Hier kommt es laut Milz darauf an, ob der Gesundheitszustand für die angestrebte Stellung beachtlich oder völlig unerheblich ist. Eine Ausnahme bestehe jedenfalls für Positionen, für welche die körperliche Fitness bzw. Gesundheit eines Mitarbeiters von besonderer Wichtigkeit ist, etwa für Piloten oder Polizisten. Fragen bezüglich ernster, ansteckender Krankheiten sind zulässig, wenn diese eine Gefahr für die Gesundheit von Dritten (Kollegen oder Kunden) sein könnten. „Bei bestimmten Berufsgruppen – wie Arzt oder Krankenpfleger – darf hier jedenfalls nachgefragt werden.“ Der Bewerber müsse den Arbeitgeber grundsätzlich nicht von vornherein über eine Behinderung informieren. Sollten jedoch Beeinträchtigungen dazu führen, dass der angestrebte Job nicht oder nur unzureichend ausgeübt werden kann und möglicherweise sogar Dritte dadurch gefährdet werden, so müsse dies dem Arbeitgeber mitgeteilt werden.

4. Welche Konsequenzen könnte es haben, dem Arbeitgeber eine Krankheit/ein Gebrechen zu verschweigen?

ANTWORT: Vom Zeitpunkt des Eintritts in die Vertragsverhandlungen bis zum Abschluss des Arbeitsvertrages besteht ein vertragsähnliches Vertrauensverhältnis zwischen Bewerber und potenziellem Arbeitgeber. „Während dieser Zeit muss der Bewerber den Arbeitgeber über bestimmte Umstände aufklären, die in direktem Verhältnis mit der ausgeübten Tätigkeit stehen“, sagt Milz. Wenn der Bewerber für den Arbeitgeber wichtige Informationen wie eine ansteckende Krankheit verschweigt oder eine Beantwortung von Fragen diesbezüglich verweigert, liege eine Täuschung des Arbeitgebers vor. „Sollte ein Arbeitsvertrag daraufhin zustande kommen, so kann es im Nachhinein zur Auflösung kommen. In manchen Fällen kann der Arbeitgeber sogar Schadenersatz verlangen – etwa das Honorar für den Headhunter.“

5. Ist eine Videoüberwachung des Arbeitnehmers in der Firma erlaubt?

ANTWORT: „Videoüberwachung auf Toiletten oder in Umkleidekabinen, das heimliche Abhören von Telefongesprächen, die Überprüfung des Privatlebens etc. würden die Menschenwürde verletzen und sind daher verboten“, sagt Milz. Andere Überwachungen, bei denen die Menschenwürde zwar nicht verletzt, aber dennoch berührt wird, müssten in Betrieben mit einem Betriebsrat durch eine Betriebsvereinbarung gedeckt sein. „Gibt es in einem Betrieb keinen Betriebsrat, so bedarf es der Zustimmung jedes einzelnen Arbeitnehmers.“

6. Darf ein Chef den Browserverlauf seiner Mitarbeiter überprüfen?

ANTWORT: Im Arbeitsverfassungsgesetz ist geregelt, dass „die Einführung von Kontrollmaßnahmen und technischen Systemen zur Kontrolle der Arbeitnehmer, sofern diese Maßnahmen die Menschenwürde berühren“, zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des Betriebsrates bedürfen. „Wenn die Möglichkeit gegeben ist, Zugriff auf Inhalte der E-Mails und der angewählten Seiten zu nehmen, wird dies in der Regel gegeben sein. Daher wird auch hier die Zustimmung des Betriebsrates bzw. des einzelnen Mitarbeiters nötig sein“, betont Milz. In der Betriebsvereinbarung müsse geregelt sein, wer in welchem Umfang auf welche Daten Zugriff hat. Wann die Menschenwürde berührt wird, sei in jedem Einzelfall zu klären. Hier gehe es um eine Interessensabwägung.