Herr S. fiel nach seinem Urlaub in Ägypten aus allen Wolken, als er seine Handyrechnung bekam und fast 500 Euro Roamingkosten zahlen sollte, obwohl er die Datenroaming-Funktion deaktiviert hatte“ hieß es unlängst in einer Aussendung der Arbeiterkammer Wien. Die Konsumentenschützer der AK erkannten hier einen klaren Fall von Geisterroaming, wie es in ebendieser Aussendung hieß, machten sich für Herrn S. stark und erzielten schließlich eine Reduzierung der Forderung um 370 Euro.

So weit die Kurzversion der AK-Geschichte, auf die die Kleine Zeitung postwendend die Erklärung des betreffenden Mobilfunkbetreibers erhielt, es habe sich in dem Fall nicht um Geisterroaming gehandelt, weil die Datenverbindung nicht mittels LTE-Technologie, sondern mithilfe von GSM und Edge zustande gekommen sei. Hier wurde der Begriff Geisterroaming, für den es ja keine gesetzliche Definition gibt, für ein Phänomen verwendet, das Urlaubern in Ländern außerhalb der Europäischen Union auch viel öfter zum Verhängnis wird als Geisterroaming bedingt durch LTE. Der Vorarlberger Rechtsanwalt Helgar Schneider kennt das Problem von einer Vielzahl seiner Klienten: „Die Kunden geraten beim Telefonieren versehentlich ins ausländische Netz, etwa weil sie im WLAN des Hotels surfen, dieses kurz ausfällt und sich das Telefon automatisch ins Mobilfunknetz einwählt, weil das Datenroaming nicht deaktiviert ist“, erzählt er aus der Praxis. Zwar sollte aufgrund der Vorgaben der EU-Roaming-Regeln die Rufnummer bei Erreichen eines Betrags von 60 Euro automatisch gesperrt werden, bis der Kunde durch bewusste Eingabe eines PIN diese Sperre wieder aufhebt - in der Praxis funktioniere diese Sperre aber sehr oft nicht. Besonders häufig sei dies in Ägypten der Fall, aber auch in anderen Staaten des Nahen Ostens.
„Ich hatte letztes Jahr einen Steirer, der 10.000 Euro für das Roaming in einem ägyptischen Netz bezahlen sollte“ erzählt Schneider und ergänzt: „Eine Deaktivierung der Sperre konnte der Mann ausschließen, trotzdem wollte man als Kulanzangebot noch 2000 Euro von ihm haben. Also kam er zu mir.“ Das Ende der Geschichte: „Er hat schlussendlich 60 Euro bezahlt.“

Helgar Schneider kennt als Rechtsanwalt Hunderte ähnliche Fälle aus den vergangenen Jahren: „Es ist nicht richtig, dass den Kunden automatisch, wie die Netzbetreiber betonen, die Kosten, die über die 60 Euro hinausgehen, wieder gutgeschrieben werden. Vielmehr ist es so, dass dem Kunden nur dann, wenn er sich beschwert, eine angebliche ,Kulanz' angeboten wird, allerdings oft nur 30 oder 50 Prozent der Rechnungssumme. Viele sind damit leider einverstanden, weil sie befürchten, sonst noch mehr bezahlen zu müssen.“

Die große "Roaminglüge"

Zusätzlich werde Kunden gegenüber, die sich über hohe Rechnungen beschweren, immer wieder behauptet, dass es sich hier nur um die Kosten des ausländischen Roamingpartners handle und das Geld eben in das Ausland überwiesen werden müsse. „Das bezeichne ich als die große Roaminglüge“, sagt der Jurist und erklärt den Hintergrund: „Die österreichischen Netzbetreiber müssen ihren ausländischen Roamingpartnern für den Datenverkehr der Österreicher pro Megabyte nur wenige Cent zahlen, kassieren von ihren Kunden aber 5, 10 oder sogar 15 Euro pro MB. Das sind Aufschläge von bis zu 100.000 Prozent. In Österreich wird diese Ungeheuerlichkeit aber leider nicht debattiert.“ Nach Schneiders Ansicht wehren sich viel zu wenige Menschen gegen Schockrechnungen ihres Mobilfunkbetreibers, wodurch das Geschäftsmodell dieser krass überhöhten Preise rentabel bleibe - dabei seien die Erfolgsaussichten der Kunden, sich gegen überhöhte Roamingkosten zu wehren, außergewöhnlich gut: „Ich bearbeite im Schnitt etwa 50 solche Fälle pro Jahr und gehe dabei etwa zehnmal jährlich gerichtlich gegen einen Netzbetreiber vor: Die Kunden bekamen bisher immer alles zurückgezahlt. Gegen meine Klagen wird praktisch nie Einspruch erhoben, es ergehen dann rechtskräftige Zahlungsbefehle. Kennen Sie eine andere Branche, in der sich kein einziges Unternehmen gegen solche Klagen von Kunden wehrt? Schon sehr eigenartig.“

Wärmstens empfohlen

Die Empfehlung des Experten: Jeder Betroffene sollte sich an den Rechtsanwalt seines Vertrauens oder an die Konsumentenberatung der Arbeiterkammer wenden, selbst bei geringen Beträgen. „Wenn sich viele wehren, findet vielleicht ein Umdenken bei den Mobilfunkbetreibern statt.“