Dr. House, Grey's Anatomy, In aller Freundschaft . . . Selbstlose und engagierte Ärzte aus Fernseh-Serien können laut einer kleinen deutschen Studie zu einer ernsthaften Konkurrenz für die realen Götter in Weiß werden. Ein Arzt belegte durch Interviews mit 162 Patienten, dass die fiktive Welt der Arztserien die Erwartungshaltung von Kranken an den Klinikbetrieb stark beeinflusst. Je häufiger Patienten seichte Serien im Fernsehen sahen, desto eher gingen sie davon aus, dass der Arzt bei der Visite Händchen hält und hübsche Krankenschwestern dazu noch Kaffee servieren.

Verwechslung von TV und Realität

Die heile Bilderwelt aus dem Fernsehen führe bei nicht wenigen Patienten zu einer Enttäuschung über den wirklichen Krankenhausbetrieb, sagte der Mediziner Kai Witzel, der die Fragebogen-Studie organisierte und ausgewertete. Selbst sei er schon oft auf die Methoden der Fernsehärzte angesprochen worden, sagte er in einem Interview mit dem MDR. Deswegen gibt es mittlerweile einen eigenen Pool aus Fachberatern, die sich mit ihrem Fachwissen in die unterschiedlichsten Produktionen einbringen. Sie überprüfen zum Beispiel, ob Fachbegriffe richtig verwendet werden oder auch diverse Handgriffe fachlich korrekt ausgeführt werden. Witzel: "Leute, die oft Krankenhausserien sehen, haben ein hohes Angstniveau."

Vorher noch nie im Krankenhaus gelegen

Befragt wurden nur Patienten, die für eine unkomplizierte Leistenbruch- oder Gallenblasenoperation stationär in eine Klinik aufgenommen wurden. Sie waren vorher noch nie im Krankenhaus gelegen - oder aber ihre Behandlung lag mehr als zehn Jahre zurück. Notfälle waren von der Studie ausgeschlossen. Einige Tage vor ihrer OP beantworteten die Patienten in Ruhe unter anderem Fragen zu ihren Fernsehgewohnheiten. Nach dem Eingriff wurden sie zur Zufriedenheit mit dem Spital befragt. Patienten, die mehr als 30 Stunden pro Woche fernsehen und Krankenhausserien lieben, gaben nach der Untersuchung einem echten Klinikarzt auf einer Zufriedenheitsskala von 2 bis 3,2 nur die Note 3. Wer weniger als 5 Stunden pro Woche vor dem Fernseher saß, beurteilte den Mediziner mit dem besten Wert 2,5. Patienten, die Arztserien darüber hinaus für realistisch hielten, waren mit der Behandlung besonders unzufrieden.

Gegen das Zerrbild des Arztberufs auf der Mattscheibe gibt es nach Witzels Ansicht keine Medizin. "Die Prägung der Patienten durch das Fernsehen wird zunehmen", sagt er.

So wird im TV auch der Erfolg von Wiederbelebungsversuchen verzerrt dargestellt. Im Fernsehen überleben in 91 Folgen 46 Patienten, in der Realität liegt die Rate aber gerade einmal bei 25 Prozent. Diese Darstellung würde das Verhalten von Ersthelfern durchaus auch beeinflussen, gibt Witzel zu bedenken. "Diese Verzerrung der Realität weckt völlig falsche Erwartungen bei Patienten und Angehörigen. Da sind Konflikte und Enttäuschungen vorprogrammiert."