Das gerichtliche Nachspiel zur Causa Sigrid Maurerbringt die Frage „Was darf man ungestraft anderen gegenüber von jemandem behaupten?“ derzeit besonders medienwirksam ins Spiel. Die Ex-Politikerin, die sich im Vorjahr gegen sexuelle Belästigung zur Wehr setzte, wurde ja in erster Instanz wegen „übler Nachrede“ (nicht rechtskräftig) verurteilt und sieht sich nun noch einer Forderung nach 50.000 Euro Schadenersatz gegenüber. Wir baten den Grazer Rechtsanwalt Heimo Hofstätter um ein kleines Klärstück in Sachen „Ehre“ und „Beleidigung“.

Ruf und Ehre und das Zivilrecht

Grundsätzlich gehören die „Ehre“ und der „wirtschaftliche Ruf“ als Persönlichkeitsrechte gemäß Paragraf 16 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) zu den absoluten Rechten und genießen als solche besonderen Schutz. Bei Ehrenbeleidigungen bzw. Rufschädigung kommt zunächst das Zivilrecht zum Tragen, aus einer beleidigenden Äußerung oder Handlung können sich aber auch strafrechtliche Konsequenzen ergeben. „Zivilrechtlich regelt Paragraf 1330 ABGB die Ehrenbeleidigung bzw. Rufschädigung und steht dabei im Spannungsverhältnis zum Grundrecht der freien Meinungsäußerung“, betont Hofstätter. 

In der Rechtsprechung sei hier demnach immer eine Interessensabwägung vorzunehmen: Mit einer unwahren Tatsachenbehauptung sei die Grenze zur ehrenbeleidigenden Rufschädigung jedenfalls überschritten. „Entscheidend ist, ob eine abfällige Tatsachenbehauptung vorliegt, die einer objektiven Nachprüfung zugänglich ist. Verbreitet jemand Tatsachen, die den Kredit, den Erwerb oder das Fortkommen eines anderen gefährden - und weder der Beleidiger noch der Empfänger der Mitteilung haben ein berechtigtes Interesse an der Mitteilung - hat der Verletzte zur Wahrung seines wirtschaftlichen Rufs bei Wiederholungsgefahr einen Anspruch auf Unterlassung.“ Sollte durch die Beleidigung auch ein wirklicher Schaden oder Entgang des Gewinns verursacht worden sein, sei der Verletzte, so der Jurist, aber auch berechtigt, Ersatz dafür zu fordern.

Es braucht Publikum

Die Gültigkeit von Paragraf 1330 AGBG setzt freilich eine bestimmte Öffentlichkeit voraus. Hofstätter: „Die Beleidigung muss für mindestens eine Person - außer dem Täter und dem Verletzten - wahrnehmbar gewesen sein.“ Was diese Personen tatsächlich davon mitbekommen haben, ist egal. Es reicht die bloße Möglichkeit.

Üble Nachrede, Beleidigung und das Strafrecht

Von Ehrenbeleidigungen zu unterscheiden sind die Straftatbestände der üblen Nachrede und der Beleidigung: Hier kommen die Paragrafen 11 bzw. 115 des Strafgesetzbuches zur Anwendung. Üble Nachrede meine dabei den Vorwurf einer verächtlichen Eigenschaft oder Gesinnung oder eines unehrenhaften Verhaltens. „Nazi“ wäre so ein Schimpfwort. „Strafbar ist die üble Nachrede nur, wenn ihre Richtigkeit nicht bewiesen werden kann und wenn sie vor einer dritten Person in wahrnehmbarer Weise geschieht, das Opfer der üblen Nachrede muss dabei gar nicht anwesend sein.“ Durch den Straftatbestand der Beleidigung wiederum ist es verboten, eine andere Person vor mehreren Leuten (mindestens drei vom Täter und vom Opfer verschiedene Personen) zu beschimpfen, zu verspotten, am Körper zu misshandeln (Stichwort Ohrfeige) oder ihm eine solche Misshandlung anzudrohen.

Es braucht mehr Publikum

„Bei diesen beiden Delikten muss also „die breitere Öffentlichkeit“ Kenntnis von der beleidigenden Handlung bekommen haben, um überhaupt von einer strafbaren Handlung im Sinne des Strafgesetzbuches ausgehen zu können“, betont Hofstätter. Darüber hinaus seien sowohl üble Nachrede als auch die Beleidigung Privatanklagedelikte: „Das heißt, das Opfer muss selbst gegen den Täter einen Strafantrag bei Gericht einbringen. Wird der Täter freigesprochen, trifft den Ankläger das Kostenrisiko.“ Hofstätters Resümee zum Thema: „Angesichts des Risikos versuche ich den Leuten solche Klagen nach Möglichkeit auszureden.“

Familie als beleidigungsfreie Zone

Kann man theoretisch die eigene Schwiegermutter für beleidigende Behauptungen verklagen, die diese nur innerhalb der Familie verbreitet? Das deutsche Oberlandesgericht Frankfurt sagte in so einem Fall unlängst Nein. Der Rechtsanwalt Heimo Hofstätter sagt, zur österreichischen Situation befragt: „Die Rechtslage ist hier im Wesentlichen gleich wie in Deutschland. Zusammengefasst gesagt, sind Äußerungen im Familienkreis in der Regel nicht als öffentlich anzusehen und daher weder zivilrechtlich noch strafrechtlich verfolgbar.“ Nur bei Äußerungen gegenüber Dritten, also außerhalb des eigenen Familienkreises, gebe es eine juristische Handhabe.