Es waren die Seiten eines Kitschromans, die sie in die Seitenwände steckte. Es war die Lieblingsfarbe Rot, die sie für die Stoffe auswählte. Und es waren die letzten Worte einer Tochter an die Mutter, die sie mit weichem Bleistift auf die Außenwände des Sargs schrieb und danach lackierte. Dieser letzte Wortwechsel sollte als Abschied nur zwischen ihnen beiden stattfinden. So machte Romana Maschek ihrer Mutter das letzte Bett.

© Ed Gypsy

„Ich habe vor fünf Jahren innerhalb einer Woche meine Eltern verloren. Zuerst meine Mutter, dann meinen Vater“, sagt sie in ihrem lichtdurchfluteten „Sargatelier“ in der Wiener Fröbelgasse. Nebenan steht ein offener Sarg. Darin liegt ein Polster aus einer Kittelschürze, die Rüstung so vieler Omas. Außen wird der Sarg von mintblauen und mit Bäumen gemusterten Stoffen geziert. Leben nach dem Tod. Es ist einer dieser Tage, die einem als schöner Herbsttag in Erinnerung bleiben. Nicht superlativ, aber angenehm in seiner Mittelmäßigkeit. Auf dem Tisch steht Apfelkuchen. Die Äpfel stammen aus dem Hof einer Schule, deren Direktor Romana Maschek so lange mit ihren Anfragen bombardierte, bis sie sie endlich sammeln durfte. Für die 39-Jährige sind Hürden kein Hindernis, sondern Ansporn. Während der Fair-Trade-Kaffee in der French Press zieht, erzählt sie vom Bestatter, damals vor fünf Jahren, als ihr in der ersten Minute klar war, dass das so nicht funktionieren würde.

© Ed Gypsy

„Es hat nicht zu meiner Mama gepasst. Sie war Italienerin, sie war lebensfroh.“ Die Holzbauingenieurin besorgt sich einen Krematoriumssarg und stellt ihn in ihrem Wohnzimmer auf. Bei der rückblickenden Vorstellung schüttelt sie selbst leicht den Kopf. Sie bespannt den schlichten Sarg mit rotem Stoff. „Ich musste meinen Händen eine Beschäftigung geben.“ Damit ihre Mutter im Himmel auch genug zu lesen hat, tapeziert sie die Innenwände mit den Seiten eines Kitschromans. Bei der Beerdigung wird Romana Maschek Jeans und den Pullover mit den Pinguinen tragen, den ihre Mama immer so lustig fand. „Man feiert Hochzeiten und mittlerweile auch Scheidungen. Wieso können wir nicht feiern, dass ein Leben gelebt wurde?“, wird sie später fragen, während sie über das Innenfutter eines Sargs streicht.

"Ich habe den Tod eingeladen und ihn angesehen"

Nur wenige Tage später nach der Mutter stirbt ihr Vater. „Er hat uns schon immer gesagt, wie er sich seine Bestattung vorstellt.“ Hier kam der Harley Club, um seinem Mitglied die letzte Ehre zu erweisen, in seiner Kluft. Kurze Zeit nach dem doppelten Schicksalsschlag verliert Romana Maschek ihren Job. Sie hadert mit der Trauer und ihrer Wahrnehmung. „Ich dachte mir oft: Heute bin ich traurig, also lenk mich ab!“ Sie „wühlt“ sich in dieses leere, bodenlose Gefühl, „ich habe den Tod eingeladen, ihn angesehen und viel gelernt“, sagt sie heute. Das Hinsehen nahm den Schrecken. Wer selbst diesen Weg gegangen ist, kann ihn anderen zwar nicht abnehmen, aber Wegweiser aufstellen und sie ein erstes Stück begleiten. „Ich dachte damals, dass die Welt untergeht, aber als ich den ersten Pinselstrich setzte, sah ich, dass sie sich weiterdreht.“ Seit Jänner 2018 betreibt Maschek nun das Sargatelier. Trauernde können hier in einem eintägigen Workshop den Sarg für den oder die Verstorbene/-n selbst anfertigen oder ihn in Auftrag geben.

Es werden Abschiedsbriefe auf handgeschöpftem Papier geschrieben und Stoffe für die persönliche Gestaltung des Sargs ausgesucht. „Man kann auch persönliche Gegenstände in den Sarg legen, wenn sie den Beerdigungsauflagen entsprechen“, sagt Romana Maschek, die schon die ganze Zeit über ihre Schürze umgebunden hat. Als empathische Handwerkerin, wie sie sich selbst bezeichnet, begleitet sie die Menschen zwar, schuf sich aber auch Rituale, um sich abzugrenzen. „Ich hatte auch schon Kinder in einem Workshop. Es war interessant zu sehen, wie sie sich gefreut haben, den Sarg für die Oma bemalen zu dürfen. Dann haben sich auch die Eltern ganz anders beteiligt.“

Sie selbst denke oft an ihre Eltern, die schon immer sagten, dass das Leben kurz sei. Bei Sonnenaufgängen am Meer oder in den Bergen seien sie in Gedanken immer bei ihr. „Mir ist meine Vergänglichkeit bewusst geworden. Aber auch, dass ich noch hier bin.“