Was macht denn eine Demenztrainerin?

ANGELIKA NEUHOLD: Einerseits trainiert man das Gedächtnis der Patienten, spielt, macht Bewegungs- und Wahrnehmungsübungen und gibt ihnen das Gefühl, dass jemand nur für sie da ist. Andererseits hilft man den Familienmitgliedern, indem man ihnen erklärt, was auf sie zukommt und wie man damit umgehen soll. Wieso spricht der Mensch kaum noch? Wie fragt man richtig? Was, wenn mein Papa plötzlich fast wie ein Kind ist? Es ist wichtig, dass man sich damit ausführlich auseinandersetzt, weil man sonst den Menschen, der von Alzheimer betroffen ist, nicht verstehen kann. Beim Demenztraining kann man nichts verbessern, aber man kann die Krankheit herauszögern, damit die letzten Stadien möglichst kurz sind oder der Patient sie gar nicht mehr erlebt.

Woran könnten Verwandte erkennen, dass sie es mit Alzheimer zu tun haben?

Eine Diagnose kann nur der Arzt stellen, aber grundsätzlich wird die Krankheit in sieben Stadien eingeteilt: Stadium eins bis drei sind noch nahezu unmerkbar, es fällt auf, dass man eventuell öfter seinen Schlüssel vergisst, aber das wirkt nicht ungewöhnlich. In Stadium vier laufen Abläufe etwas aus dem Ruder, man hat immer Palatschinken gemacht, aber weiß plötzlich nicht mehr, wie es geht. Jemand war ein guter Rechner und kann das nicht mehr. Der Umgang mit Geld oder Elektrogeräten wird schwieriger. In Stadium fünf ist das Kurzzeitgedächtnis schon fast ganz weg. Sätze und Fragen werden oft wiederholt, z. B. "Wie spät ist es?". Körperpflege klappt nicht mehr. Im letzten Stadium ist man ein Pflegefall.

Welche Tipps kann man den Familien geben?

Am besten beginnt man, seine Sätze einfacher zu machen. Nicht in kindliche Sprache verfallen, um die Würde des Menschen zu wahren, aber langsamer und einfacher sprechen. Keine Aufgaben wegnehmen und den Patienten von allen alltäglichen Dingen fernhalten, sondern alles, was er noch kann, stärken. Nicht Kleidung richten, Essen hinstellen und ihm alles diktieren, weil man will, dass es ihm gut geht. Das beschleunigt den Abbauprozess und nimmt dem Menschen das Selbstwertgefühl. Es könnte passieren, dass er sich komplett zurückzieht. Aufgaben aktiv übertragen: Müll hinaus bringen lassen, also das Gefühl geben, dass er noch gebraucht wird. Wenn es nicht mehr allein geht, unterstützen, aber nicht komplett wegnehmen.

Wie läuft Ihre Arbeit ab?

Ich betreue zum Beispiel eine 85-jährige Alzheimer-Patientin. Zuerst starten wir mit Bewegungsübungen, um aktiv zu werden. Dann werden oft anhand eines Themas Gedächtnisübungen gemacht, z. B. Wörter zu Begriffen suchen und diese aufschreiben. Es gibt häufig eine Wahrnehmungsübung, wo man riechen, tasten oder schmecken soll wie Gewürze erraten. Verschiedene Gehirnregionen sollen angesprochen werden. Wir machen auch Aktivitäten des täglichen Lebens: gemeinsam kochen, den Tisch decken. Ganz besonders freut die Dame „Spielen und Kreativität“. Wir spielen Memory mit sechs Paaren und bei „Mensch ärgere dich nicht“ blüht sie richtig auf. Im Gruppentraining kann man auch Tanzübungen zur Körperwahrnehmung einfließen lassen. Ganz tolle Erfahrungen habe ich generell mit Musik: Ich lasse Musikinstrumente raten oder spiele alte Schlager von Heinz Conrads und Peter Alexander oder Kinderlieder vor. Damit haben viele eine große Freude. Eine Patientin war bereits im 6. Stadium, die konnte nicht mehr kommunizieren. Als sie die Lieder von früher hörte, entspannte sich der ganze Körper und ihr Gesicht strahlte.