Keine großen Reden, keine überzogene Feierlichkeit: Wenn das biennale Theaterfestival für junges Publikum „spleen*graz“ 18 Jahre nach seiner Gründung seine 10. Ausgabe eröffnet, ist entspannter Witz angesagt. Und natürlich wird beim Festakt am Donnerstagabend auch ein bisschen reminisziert, aber im Sinne des „pluralistischen Gesellschaftsbilds“ an dem das fünfköpfige Leitungskollektiv mit seinem Festival mitwirken will, werden bei der Eröffnung im Jugendtheater Next Liberty erst einmal alle Mitwirkenden vor die Bühne geholt, um im Staffel-Interview von sich ihrer Arbeit zu erzählen: künstlerische, Programm- und Kommunikationsabteilung, Technik, Publikumsbetreuung, Sponsoren und natürlich auch die Mädchen-Gang, die als „Spleen-Seekers“ prüft, „ob hier überhaupt genug für Kinder und Jugendliche gemacht wird“, wie eine von ihnen trocken feststellt. Sollte sich ausgehen, zumal bis 24. April insgesamt 31 Produktionen für Kinder und Jugendliche programmiert sind, dazu partizipative Schienen wie „spleen*trieb“, bei der sich - in Spiel-, Improvisations- und Workshopprojekten - die nächste Generation von Theaterschaffenden ausprobieren kann.

Intergalaktische Kostprobe

Eine Kostprobe gab es dann auch gleich zum Abschluss des Abends: drei Spielerinnen luden vor dem Next Liberty als enthusiastisch-intergalaktisches Komitee zur Verbesserung der menschlichen Existenz zum Stationentheater und gemeinsamen Nachdenken über die aktuelle Lage in Bildungs, Finanz- und Familienfragen ein, ehe es in der Festivalzentrale im Theater am Ortweinplatz noch zur heiß ersehnten Eröffnungsparty mit den Stimmungsmachern von „Candelight Ficus“ und DJ Vulverine ging.

Zeitgemäße Romantik

Musikalisch geprägt war zuvor auch der Haupt-Act der Eröffnung, ein Gastspiel des Jungen Theaters Basel mit der  Produktion „Sing me a Love Song!“. Der von Sebastian Nübling inszenierte Abend geht dabei einem Thema nach, über das schon alles gesagt (und gesungen) scheint: der Liebe. Ist es natürlich bei weitem nicht, das zeigt die dynamische Produktion, in der sechs junge Erwachsene im Alter zwischen 19 und 23 Jahren die Frage, wie zeitgemäße Romantik eigentlich aussehen könnte, mit der eigenen Biografie und Songs von Ed Sheeran,  Blümchen, John Legend, Elvis verbinden: Da wird auf der fast leeren Bühne Legends „All of Me“ zum Stalker-Schauerstück, fällt Sheerans „Perfekt“ auf dem Feminismus-Prüfstund durch – das macht Spaß, aber vor allem bewegt die entwaffnende Offenheit, mit der die sechs (streckenweise in untertiteltem Schwyzerdütsch) über Sehnsüchte, Sexwetten, aromantische Lebensentwürfe diskutieren, über Einsamkeit, Scham, Liebesklischees.

Die Identitäten der sechs Spielenden sind dabei ebenso fluide wie ihre Gefühle, in einem aber sind sie sich am Ende einig: auch mit dem Überangebot an Schablonen lässt sich der Liebe und ihren Widersprüchen nicht beikommen, also treten sie einzeln an die Rampe, um ihre ganz eigenen Liebeslieder vorzutragen, Beklemmungen, Zweifel, Zorn, Hoffnungen offenzulegen. Langer, jubelnder Applaus für einen Abend, der sich nicht vor großen Gesten und Gefühlen scheut.