Herausforderung jeden Theaterfestivals für junges Publikum: die inhomogene Zielgruppe vom Kleinkind bis zum jungen Erwachsenen. Das „spleen*graz“-Festival, das am Donnerstag in seine zehnte Ausgabe ging, findet die Klammer mit einem auf Kommunikation fokussierten Programm – und fand sie am Eröffnungstagauch in Erzählungen, die den Tanz zum Medium machen. Die iranisch-österreichische Performerin Shahrzad Nazarpour wendet sich in „Lemniskate“ mit ihrem Tanzpartner Morteza Mahommadi an ein Publikum ab 16 Jahren, erzählt ausgehend von der jüngsten iranischen Protestbewegung von den Restriktionen des Regimes gegen den weiblichen Körper – und hält den Revolutionsführern ein berühmtes Zitat der Anarchistin Emma Goldman entgegen: „Wenn ich nicht dazu tanzen kann, ist es nicht meine Revolution.“

Getanzte Revolutionsgeschichte

Pointenreich berichtet das Duo aber auch von Migrationserfahrung und Anpassungsdruck im Westen und findet dafür eindrückliche Bilder und Beispiele rund um Wasserpfeifen und Feminismus, Hocktoiletten, Wiener WG-Leben und klassisches Ballett. Die expressive, ironische Erzählung argumentiert in dieser getanzten Revolutionsgeschichte letztlich die Bedeutung öffentlichen Protest in Zeiten „des Zorns und der Hoffnung“: „Unser Körper ist die einzige Opposition.“

Und manchmal auch ein Instrument, um die Welt auf den Koopf zu stellen: Das zeigt der französische Tänzer Marc Lacourt im munteren Solo „Der Wischmopp des Monsieur Mutt“ (ab 4 Jahren), in dem ein widerspenstiger Putzfetzen mit ausgeprägtem Eigenleben die größten Lacher abräumt. Aber auch Besen, Garderobe, Spind und ein Urinal  (da grüßt Marcel Duchamp, der sein berühmtes Ready-made „Fountain“ mit „R. Mutt“ signierte) werden zu witzigen Mitspielern einer hinreißenden Mitmach-Komödie, die Elemente von Tanz, Akrobatik und Zirkus benutzt, um den Blick auf die Welt zu verändern.

Die Welt auf den Kopf stellen: „Der Wischmopp des Monsieur Mutt“
Die Welt auf den Kopf stellen: „Der Wischmopp des Monsieur Mutt“ © Spleen/Stephane Bellocq