In einer Zeit, in der viele Kulturereignisse abgesagt werden mussten, stellte „La Strada“ ein abstandsgerechtes Programm zusammen. Wie lautet Ihr Resümee für den zweiten Satz Ihres Festivals, Herr Schrempf?

Werner Schrempf: Es war ein Abenteuer, auf das wir uns gemeinsam mit den Künstlern und dem Publikum eingelassen haben. Wir wollten einen Raum schaffen für künstlerische Reflexionen auf die massiven Einschränkungen unserer gewohnten Lebenskultur. Wichtig war es aus unserer Sicht, der Situation auch etwas Künstlerisches entgegenzusetzen. So wurden alle Projekte, die wir im zweiten Satz von „La Strada“ gezeigt haben, für diese Situation in einer übergreifenden Zusammenarbeit der Künstler mit uns als Kulturfestival konzipiert beziehungsweise adaptiert. Gemeinsam haben wir uns künstlerisch auf viele Risiken eingelassen.

Hatten Sie während dieser Festivalwoche zwischendurch das Gefühl, Sie hätten noch mutiger sein können?

Werner Schrempf: Mut hat in diesem Jahr so viele Facetten: Ich habe das Gefühl, dass das, was wir künstlerisch gezeigt haben, viel Mut gebraucht hat. Trotz der aktuellen Situation sind wir auf Künstlerinnen und Künstler zugegangen und haben sie eingeladen, sich auf etwas Neues einzulassen und unter ganz anderen Bedingungen als gewohnt zu arbeiten. Unser Zugang hat auch in unseren internationalen Netzwerken einen Prozess ausgelöst, sich aktiv mit dem Möglichen auseinanderzusetzen. Wir haben andere ermutigt, sich der Situation entgegenzustellen und unter Mitwirkung der Bevölkerung Projekte zu entwickeln, die neue Räume für die Menschen und für Kultur öffnen. Ich glaube, dass sich im zweiten Satz von „La Strada“ der Mut des Herzens und gebührende Vorsicht sehr gut ergänzt haben.

Sie setzten im zweiten Satz auf Partizipation und Selbständigkeit des Publikums – oft mussten Aufführungsorte erst gefunden werden. Wie gut hat das funktioniert?

Werner Schrempf: Das Programm im zweiten Satz wurde vom Publikum sehr gut angenommen, wir konnten gerade mit Projekten wie „Signal in Graz“ von Strijbos & Van Rijswijk unterschiedlichste Personen erreichen, da die künstlerischen Interventionen zu den Menschen kamen. Durch die aktive Teilnahme an Projekten konnte das Publikum auch Stellung beziehen – so verbanden zum Beispiel die TeilnehmerInnen am Projekt „Die sanfte Antwort“ von Günter Meinhart ihre Partizipation mit einer persönlichen Geschichte, nach dem Motto: „Man braucht gute Gründe, um auf die Straße zu gehen.“ Das Miteinander stand auch im Fokus der Wanderung. An die 1400 Personen sind diesem Experiment gefolgt.


Wie groß ist die finanzielle Belastung durch Corona?

Werner Schrempf: Wir hatten das große Glück, dass uns unsere langjährigen Partner von Anfang an den Rücken gestärkt haben und die Vereinbarungen gehalten werden konnten. Dem gegenüber steht aber die Tatsache, dass in so einem Jahr Aufwendungen auf uns als Veranstalter zukommen, mit denen bei Budgeterstellung noch keiner rechnen konnte. So sind zum Beispiel die Sicherheitsmaßnahmen im Vorfeld und auch vor Ort sehr kostenintensiv. Auch die zeitlichen Herausforderungen, die auf uns und unser Team zukommen, dürfen nicht unterschätzt werden. Länger- und mittelfristig sind die finanziellen Belastungen der Zukunft schwer abschätzbar.

Gibt es Empfehlungen, die Sie anderen Kulturveranstaltern mitgeben könnten?

Werner Schrempf: Grundsätzlich haben wir die Erfahrung gemacht, dass es wichtig ist, zu jedem Zeitpunkt aufmerksam zu sein und achtsam mit den Ängsten und Vorbehalten von Künstlern, Mitarbeitern und dem Publikum umzugehen. Und diese Erfahrungen immer wieder zu hinterfragen und den eigenen Hausverstand zu nutzen. Das Wohlergehen aller Beteiligten ist noch stärker in den Fokus gerückt. Der Austausch mit anderen Kulturveranstaltern war für uns immer schon sehr wichtig, doch in diesem Jahr ist die Zusammenarbeit noch entscheidender geworden. Die positive Grundhaltung und der Erfahrungsaustausch mit anderen steirischen Kulturveranstaltern ist sehr hilfreich. Mit auf den Weg geben möchte ich auch allen die Bereitschaft, mit Behörden das offene Gespräch zu suchen und sie rechtzeitig mit ins Boot zu holen.

Was sind im Kontext von Corona Ihre Sorgen?

Werner Schrempf: Für mich ist es klar, dass uns das aktuelle Szenario auch in Zukunft begleiten wird, daher ist es umso wichtiger, dass wir solidarisch an Konzepten arbeiten, wie Kunst- und Kulturschaffen möglich bleibt. Sicher ist, dass sich in den nächsten Monaten einiges verändern wird und wir lernen müssen, adäquat darauf zu reagieren. Die Erfahrungen in der Kooperation mit anderen Veranstaltern in der Steiermark sind sehr positiv, auch in unserer internationalen Arbeit tauchen positive Signale auf. Und die Sorgen werden noch ein bisschen mehr minimiert, wenn zwischen dem zweiten und dritten Satz von „La Strada“ ein neuer Sponsor auf uns zukommt und uns in unserer Kulturarbeit unterstützt. Silberstreifen am Horizont!