Könnte eigentlich fast ein Witz sein: Drei Männer der Nachtwache durchqueren den Tunnel unterhalb der Mauer. Und es beginnt mit einem typischen Horrorfilmeffekt: Der größte Hosenscheißer findet eine Art Ritualplatz. Leichenteile fein säuberlich sortiert. Als er seine Mitstreiter holt, ist natürlich niemand mehr da. Doch die Ruhe vor dem Sturm, die währt nur kurz und als man im Zwielicht blaue Augen aufblitzen sieht, weiß man, was da kommen muss: es wird Blut fließen. Nur einer wird entkommen, aber sein Leben währt auch nicht allzu lange.

Zum Beginn des Endes bei einem Recap noch ein Blick auf den Beginn der Serie zurück: In Winterfell bereitet man sich auf die Ankunft von König Robert Baratheon vor. Wir erinnern uns: Aufgeregte Vorbereitungen mit einem amüsanten Detail am Rande: Für das Gemach von Tyrion Lennister werden viele Kerzen bestellt, da er, wie man hört, angeblich besonders viel lesen soll. Die Stark-Kinder sind zu diesem Zeitpunkt noch jung, eine fast unschuldige Heiterkeit liegt über Winterfell, bis eine Nachricht eintrifft: Ein Deserteur der Nachtwache wird erwischt. Eddard Stark, Herr von Winterfell, lässt seine (männlichen) Kinder aufsatteln, auch der Jüngste, Bran, muss mit seinen zehn Jahren schon mit. Was er sehen wird, ist kein Zuckerschlecken, aber Eddard Stark will es auf die harte Tour: "Er wird nicht ewig ein Junge sein und der Winter naht". Deserteure werden geköpft, denn "sie haben einen Eid geschworen". Am Richtplatz wirkt der sichtbar verstörte Mann der Nachtwache wie ein einsamer Rufer, dem niemand glauben will: "Ich habe die weißen Wanderer gesehen, ich hab die weißen Wanderer gesehen".

Auf dem Rückweg nach Winterfell noch ein Hinweis, auf den niemand so richtig geachtet hat: Ein von einem Schattenwolf übel zugerichteter Hirsch. Dass einer aus der Runde skeptisch ist ("Es gibt keine Schattenwölfe südlich der Mauer"), ist auch allen egal, Hauptsache die kleinen Schattenwolfwelpen sind putzig.

Und so mehren sich die Anzeichen dafür, dass hier so manches im Argen liegt, nur will keiner so richtig hinschauen. Einerseits: Eddard Stark muss nach dem Tod von Jon Arryn (seinem Schwager) die rechte Hand des Königs werden. Auch wenn nach einer Nachricht klar ist: Er wurde ermordet - von den Lennisters. Warum wird nach einer Rückblende angedeutet: Offenbar ist er hinter das Geheimnis der Inzestzwillinge Cersei und Jaime Lennister gekommen. Fakt ist: Jenseits der Mauer formieren sich die weißen Wanderer, aber sämtliche Kräfte und Intrigen bündeln die Kampfkraft künftig in King's Landing (Königsmund).

Was man auch noch sieht: Die Entwicklung der Hauptcharaktere über die Staffeln. Sansa, die vom naiven, sich in Joffrey-Prinzessinnenphantasien verlierenden Mädchen zur Machtstrategin wird. Vielleicht wurde diese Szene nicht umsonst von den Showrunnern ausgewählt: Eine Sansa, die ihre Mutter in der ersten Folge anbettelt, Eddard Stark müsse die Hand des Königs werden, denn sie wolle unbedingt nach King's Landing. In einem Interview mit der Faz hat Darstellerin Sophie Turner erzählt, dass sie am Ende der Dreharbeiten von Benioff und Weiss ein Bild von ihrer wichtigsten Szene geschenkt bekommen hat - das Bild stammt übrigens von ihren letzten Dreharbeiten in Spanien. Gut möglich, dass Sansa Stark am Ende am Eisernen Thron sitzt?

Vom naiven Kinder zur Machtstrategin: Sansa Stark (Sophie Turner)
Vom naiven Kinder zur Machtstrategin: Sansa Stark (Sophie Turner) © (c) AP

Oder man sieht die Entwicklung von Arya, der jüngsten Stark-Tochter, die zielstrebig ihren Weg geht und sich nicht von äußeren Einflüssen und Konventionen davon abbringen lässt. Oder natürlich die Entwicklung von Daenerys Targaryen, die zu Beginn nichts anderes ist, als der Spielball ihres Bruders Viserys Targaryen, der nach dem Eisernen Thron giert. Die Hochzeit mit Khal Drogo ist das nötige Mittel dazu: "Ich gebe ihm eine Königin und ich bekomme seine Armee". Als sie sich weigert, sagt er lapidar: "Ich würde dich von seinem ganzen Stamm vögeln lassen, wenn es nötig wäre". Auch spannend ist die Entwicklung von Cersei Lennister: Sie war offenbar schon immer böse, intrigant und absolut kaltblütig. Noch einmal zeigt sich mit dem Rückgriff auf die Vergangenheit, dass vor allem die weiblichen Charaktere tiefgreifende Entwicklungen durchgemacht haben und an den strategisch wichtigen Positionen Stellung bezogen haben.

Daenerys Targaryen: Vom schüchternen Mädchen zur selbstbewussten Mutter der Drachen
Daenerys Targaryen: Vom schüchternen Mädchen zur selbstbewussten Mutter der Drachen © (c) AP

Die Auftaktfolge endet mit einem Fenstersturz, an man sich alle GoT-Fans nur zu gut erinnern: Jaime Lennister stößt Bran aus dem Fenster des Turmes, nachdem dieser das Inzestpaar in flagranti erwischt hat. Man kann sagen: Eine zerstörerische Liebe hat eine Katastrophe nach der anderen ausgelöst. Das zeigt sich auch, als noch einmal jene Szene gezeigt wird, die man erst viele Folgen später so richtig entschlüsseln kann: Als die beiden Kampfgefährten Eddard Stark und Robert Baratheon in der Krypta am Grab von Lyanna Stark, Eddards Schwester, stehen. Denn auch hier hat eine fatale Liebe eine Katastrophe ausgelöst. Robert Baratheon: "Zu mir hat sie gehört. In meinen Träumen töte ich ihn jede Nacht". Die Antwort von Eddard Stark: "Und das habt ihr Mylord, die Targaryens sind weg". Die richtige Antwort von Robert Baratheon: "Aber es sind noch einige übrig".

Nicht weit davon entfernt steht einer, den alle immer nur für den Bastard von Eddard Stark halten: Jon Snow (Schnee). Noch einmal wird jene Unterhaltung gezeigt, die Snow mit Tyrion Lennister durch alle Staffeln hindurch verbinden soll: "Vergiss nie was du bist, der Rest der Welt tut es auch nicht. Trage es wie eine Rüstung, dann kann niemand dich damit verletzten". Snow gibt sich verwundert: "Was wisst ihr schon von Bastarden?" Lennister "Alle Zwerge sind Bastarde in den Augen ihrer Väter".

Benioff und Weiss zelebrieren mit diesem Rückblick eine Art "Ruhe vor dem Sturm"-Szenario. Einmal noch richtig durchatmen und die Sachlage klären. Wer am Ende am Eisernen Thron sitzt, lässt sich damit noch nicht klären, aber das Zwielicht, das löst sich schön langsam auf.