Will Smith bescherte den Oscars in ihrer 94-jährigen Historie einen Tiefpunkt. Als Präsentator Chris Rock einen pietätlosen Witz über die Glatze seiner Frau Jada Pinkett Smith machte, explodierte der Hollywoodstar, jagte auf die Bühne und schlug Rock ins Gesicht. Seine Frau leidet an autoimmunem Haarausfall und hatte das öffentlich gemacht. Spätestens als Smith von seinem Sitz aus weiter schimpfte, war dem verdatterten Publikum im Dolby Theatre klar, dass es sich nicht um einen einstudierten Scherz handelte.
Als Will Smith kurze Zeit später wieder kehrte, um sich für seine Performance als Tennis-Vater der zwei Asse Venus und Serena Williams im Biopic „King Richard“ einen Oscar für die beste Hauptrolle abzuholen, sagte er unter Tränen Beschwichtigendes wie: „Ich muss in diesen Tagen ein furchtloser Beschützer meiner Familie sein.“ Und weiter: „Das gehört zu den Dingen, die Gott mich tun lässt.“ Er entschuldigte sich bei der Academy, nicht jedoch bei Rock. Ob die Aktion Konsequenzen hat, bleibt abzuwarten.

Der Sohnemann Jaden legte indes auf Twitter noch einmal nach. Chris Rock verzichtet nach Angaben der Los Angeles Police auf eine Anzeige gegen Smith.

Trotz des eigentlich großhumorigen Moderatorinnen-Trios Amy Schumer, Regina Hall und Wanda Sykes – „Drei Frauen kosten die Academy weniger als ein weißer Typ“ – blieb die im Vorfeld angekündigte aufgefrischte Verleihung trotz Kostümspielen farblos und fad.


Für die berührenden, leisen und unvergesslichen Momente waren einmal mehr die Gewinnerinnen und Gewinner zuständig: „Coda“, das seinen Siegeszug vom Sundance Film Festival 2021 zum großen Preis-Abräumer in dieser Saison mauserte, bescherte Troy Kotsur den Oscar für die beste männliche Nebenrolle. Er wurde mit Applaus in Gebärdensprache, mit in die Höhe gehaltenen und geschüttelten Händen empfangen. Was für ein Bild! Kotsur berichtete von seinem Vater, der die Gebärdensprache am besten beherrsche, aber nach einem Unfall querschnittsgelähmt war und nicht mehr gebärden konnte. „Das ist unser Moment“, sagte er und widmete den Preis allen Gehörlosen und allen mit besonderen Bedürfnissen.

In Erinnerung bleiben wird auch die Dankesrede von Ariana DeBose, die den Oscar für die beste Nebenrolle in der Neuadaption des Filmmusicals „West Side Story“ erhielt. „Sie sehen eine offen queere, nicht weiße Frau, eine Afrolatina, die ihre Stärke durch die Kunst fand“, sagte sie. DeBose ist die zweite Zugehörige der Latina-Kultur, die einen Goldbuben für die Rolle der Anita mit nach Hause nehmen durfte – die anwesende Rita Moreno erhielt ihn 1962 ebenfalls dafür. Auch die Oscargewinnerin Jessica Chastain (Preis für die beste Hauptrolle in „The Eyes of Tammy Faye“) hielt ein flammendes Plädoyer für queeres Leben und Leiden.
Billie Eilish (20) gewann einen Oscar für den James-Bond-Song „No Time To Die“, der deutsche Komponist Hans Zimmer feierte im Bademantel in der Hotelbar in Amsterdam.


Der Angriffskrieg auf die Ukraine mutierte indes zur Nebenrolle: Nebst Schweigeminute ergriff Francis Ford Coppola („Der Pate“) das Wort und verabschiedete sich mit: „Vive Ukraine!“.

Der Oscar für den besten Song geht an Billie Eilish und Finneas O’Connell für diese 007-Nummer.

In den technischen Kategorien dominierte wie erwartbar das zehnfach nominierte Wüstenepos "Dune" von Denis Villeneuve mit insgesamt sechs Oscars für besten Ton, besten Schnitt, beste Kamera, beste visuelle Effekte, bestes Szenenbild sowie beste Filmmusik für Hans Zimmer. Der deutsche Filmkomponist, Arrangeur und Musikproduzent zeigte sich indes im Bademantel auf Twitter – mit eingesteckter Statue.

Die Drehbuchpreise gingen an Schauspieler und Regisseur Kenneth Branagh für seinen autobiografischen und persönlichen Schwarz-Weiß-Film "Belfast" (bestes Original-Drehbuch) und die Drehbuchautorin und Regisseurin Siân Heder für wie bereits erwähnt "Coda".

In der Kategorie bester Animationsfilm setzte sich "Encanto" durch, das Musical über eine Familie in einem magischen Haus in Kolumbien, in dem alle besondere Kräfte haben – nur Mirabel nicht. Disneys Familienfilm ist auch ein gleichnishaftes Märchen für Erwachsene rund um Zusammenhalt. Und: Die Kritikerlieblinge "Drive My Car" von Ryusuke Hamaguchi, sowie "Sumer of Soul" erhielten Auszeichnungen für den besten internationalen Film und den besten Dokumentarfilm.