Euer neues Album ist nicht nur das zweite Tocotronic-Album ohne Namen, sondern widmet sich zur Gänze dem Thema Liebe. Wie hat sich das ergeben?

DIRK VON LOWTZOW: Da „Wie wir leben wollen“ eine allumfassende Kritik an Lebensformen war, wollten wir uns auf einen Teilaspekt des Lebens fokussieren: die Liebe. Dass es ein Konzeptalbum, eine Liedersammlung zum Thema wird, hat sich bald herauskristallisiert: eine Enzyklopädie der Liebe.

Was schon am Cover auffällt: Die Songtitel bestehen großteils aus einzelnen Worten, und die lassen keineswegs auf Romantik oder Liebe schließen. Und das euch so gern attestierte „Sloganhafte“ fällt ganz weg.

VON LOWTZOW: Stimmt. Wir haben im Laufe der Arbeit festgestellt, dass es dem Thema angemessen ist, wenn man reduziert und subtrahiert – nachdem wir beim letzten Album immer mehr addiert hatten. So wollten wir dann auch statt eines Titels die Farbe Rot – was auch an unser „Weißes Album“ von 2002 anschließt.

War das Subtrahieren schwieriger als das Addieren?

VON LOWTZOW: Gerade für den, der die Texte schreibt, ist es schwierig, lieb gewonnene Formulierungen zu verlieren. Dadurch hat man aber auch nicht den ganz großen Überblick. Ich musste mich von Sachen lösen, auch gegen meine eigene Eitelkeit.

Stimmt es, dass die Texte diesmal im Kollektiv entstanden?

VON LOWTZOW: Teilweise. Die Texte unterliegen immer einem recht strengen Lektorat von Bandseite, es muss sich ja jeder damit identifizieren können. Das Interessante an der Arbeit in der Gruppe ist, dass das Kollektiv auch Korrektiv ist, dass man einer Reibung ausgesetzt ist.

Lief das noch friedlich ab?

VON LOWTZOW: Es kam nicht zu Handgreiflichkeiten. Obwohl es das schon gegeben hat bei Rockbands. Aber bei uns nicht, dafür sind wir zu verzärtelt.

Für das Sounddesign habt ihr auch Markus Ganter (Sizarr, Casper) ins Studio geholt. Wie hat das euren Sound verändert?

VON LOWTZOW: Ich würde eher sagen: bereichert. Es war gut, neben Moses Schneider, mit dem wir ja seit vier Alben gut und intensiv zusammenarbeiten, jemand Neuen ins Boot zu holen. Das kann ja durchaus belebend wirken. Markus ist erst 29, er hat eine ganz andere Herangehensweise an Musik und ist wirklich und wahrhaftig ein „digital native“.

Warum habt ihr das Album diesmal wieder ganz klassisch, nicht mehr live, eingespielt?

VON LOWTZOW: Es sollte kein raues, gitarrenlastiges Rock-, sondern ein Popalbum werden, so wie ABCs „Lexicon of Love“. Uns ist es wichtig, die Parameter immer wieder neu zu schaffen, um nicht in eine Routine zu verfallen.

Ihr veröffentlicht das neue Album am 1. Mai – einem Feiertag.

VON LOWTZOW: Das fanden wir das Allerschönste. Dass ein Album an einem Tag erscheint, an dem man es gar nicht kaufen kann.

Hat das die Plattenfirma einfach so hingenommen?

VON LOWTZOW: Erstaunlicherweise ja. Wir haben auch nicht damit gerechnet.