Goebbels, Eichmann oder Göring. Namen und Gesichter des Nationalsozialismus. Wenig bekannt sind hingegen Hitlers Statthalter, die das Terrorregime auf regionaler Ebene absicherten. In einem neuen, sehenswerten Zweiteiler schildert Filmemacher ChristianHager, wer die Leiter der sieben Gaue der Ostmark waren, ihre Verbrechen, die bis zur Planung und Durchführung des Holocausts reichten, und ihr Schicksal nach dem Ende des Dritten Reichs. In vielen Fällen blieben ihre Taten ungesühnt.

„Es ist erstaunlich, dass die Gauleiter in der heimischen Erinnerungskultur bislang kaum als Tätergruppe wahrgenommen werden", verweist Hager auf die geringe Zahl an Publikationen: "Es gibt in Österreich dazu nur wenig Fachliteratur und bis auf eine Ausnahme auch kein Mahnmal, das die Verbrechen dieser regionalen NS-Führungselite thematisiert. Obwohl die Gauleiter Hitlers wichtigste Komplizen in den einzelnen Bundesländern waren."

Hager beschreibt das System der Gaue als einen „Pseudoförderalismus“: Die Gauleiter instrumentalisierten geschickt das jeweilige Brauchtum, die politische Souveränität blieb trotzdem in Berlin: „Unter diesem Spannungsbogen konnte sich die NS-Diktatur entsprechend gut etablieren.“ In Graz stand Sigfried Uiberreither, auch „Dr. Übereifer“ für das Regime. Er ließ zahlreiche Menschen erschießen, nach dem Krieg flüchtete er und lebte, von der justiz unbehelligt, ein bürgerliches Leben in Berlin. Sein Stellvertreter, Tobias Portschy, gab später u. a. dem ORF bereitwillig Interviews.

In Kärnten war bis 1939 Hubert Klausner Gauleiter, der schon 1922 der NSDAP beigetreten war. Nach seinem Tod übernahm Friedrich Rainer, der den Anschluss strategisch begleitet hatte und in Kärnten für eine brutale Germanisierungspolitik gegenüber den Kärntner Slowenen stand.

"Viele lebten ein gutbürgerliches Leben"

Der gebürtige Oberösterreicher sprach für die zweiteilige Dokumentation mit zahlreichen Historikern, recherchierte in Landesarchiven und verwendete Material von Privatpersonen. Das Ergebnis, ein Zweiteiler, den ORF III am 25. September an 20.15 Uhr zeigt, kann sich sehen lassen: Systematisch wird aufgebarbeitet, was Gauleiter qualifizierte und wie sie agierten.

„Die Gauleiter sind als Tätergruppe absolut relevant, sie haben massive Verbrechen begangen. Aber sie waren eben nicht an vorderster Front der NS-Führung“, erklärt Hager. Die mangelhafte juristische Aufarbeitung habe mit dem Prozess der Entnazifizierung zu tun: Als die Welle der Täterverfolgung abflaute, haben sich viele, teilweise sehr dreist, vor der Verfolgung gerettet: „Viele lebten ein gutbürgerliches Leben, ohne je für ihre Verbrechen belangt worden zu sein“, sagt der studierte Politologe Hager, der es begrüßen würde, wenn im Rahmen der Erinnerungskultur stärker auf die Gruppe der Gauleiter fokussieren würde.