Herr Näter, wie kommt man auf die Idee, eine Pfarrer-Räuber-Geschichte zu schreiben und zu inszenieren? Das ist doch eine ungewöhnliche Konstellation.

Thorsten Näter: Wir machen ja alle Krimis, wo es um die Tätersuche geht. Das ist unser Täglichbrot. Mit diesen Filmen ist das Fernsehen ja ab der Vorabendzeit bis spät in die Nacht gefüllt. Und ich bin immer auf der Suche nach Geschichten, wo man ein bisschen anders erzählt und dichter dran ist an den Opfern und den Tätern, nicht immer dem ermittelnden Kommissar auf den Füßen steht. Da ging es mit darum, einmal eine Geschichte zu erzählen, wo eine Familie in das Fadenkreuz von Gangstern gerät. Dann gab es den nächsten Schritt: Was kann das für eine Familie sein, der das passiert? Und dann ist natürlich die Familie eines Pfarrers, also eines Menschen, der die Nächstenliebe und die Gewaltlosigkeit predigt, das Beste was man haben kann, weil diese Haltung natürlich von so einer Situation komplett in Frage gestellt wird.

Was hat sie daran gereizt, die christliche Moralvorstellung mit dieser kriminellen Realität zu konfrontieren?

Näter: Das ist ein Thema, womit ich mich intensiv beschäftige, ich habe auch einmal von der Kirche einen Preis dafür bekommen. Wobei es auch Leute betrifft, die sich nicht selbst als Christen bezeichnen würden, aber doch von diesen Werten und dem, was dahintersteht, sehr stark geprägt sind. Eigentlich immer in Krisensituationen, werden diese Dinge in Frage gestellt.  Kümmere ich mich jetzt nur um mich oder um den Nächsten? Übe ich jetzt Gewalt aus oder komme ich mit der Situation klar? Das treibt mich schon sehr lange um, deswegen lag das für diese Geschichte sehr nahe.

Wenn Sie sagen, dass dies in Krisensituationen auf die Probe gestellt wird: Ist es nicht bemerkenswert, dass Religion und Kirchen in der aktuellen pandemischen Krisensituation im öffentlichen Diskurs eine geringe Rolle spielen?

Näter: Das finde ich selbst sehr überraschend. Wobei es dann doch immer wieder ein paar sehr positive Reaktionen gab, wenn es um die Frage der Öffnung der Kirche für Besucher ging, wo dann manche Bischöfe gesagt haben: Uns ist es wichtig, dass Menschen in die Kirche kommen können, aber  es gehört zu unseren Aufgaben, unseren Nächsten zu schützen. Deswegen muss man zurückhaltend sein. Die haben sich dort sehr positiv verhalten. Aber es ist tatsächlich überraschend, gerade weil es ein großer Akt der Solidarität ist, der da gefordert wird, dass das so eine geringe Rolle spielt.

Sie konnten für „Tödliche Gier“ ihr Wunschensemble zusammenstellen. Warum wollten Sie gerade Harald Krassnitzer und seine Frau Ann-Kathrin Kramer für die Hauptrollen?

Näter: Da muss man sagen: Ich weiß gar nicht, wie viele Filme ich schon mit Ann-Kathrin Kramer gemacht habe. Wir verstehen uns irrsinnig gut und ich wusste selbstverständlich immer, dass der Harald ihr Mann ist. Es war ein lang gehegter Wunsch, einmal mit ihm zu arbeiten und das war einfach die Geschichte, wo es passte und schön war, diese beiden zusammenzuhaben.

Wie war es denn mit den beiden zu drehen und als Regisseur als Dritter dazuzukommen?

Näter: Unglaublich positiv – und das kann man nicht automatisch sagen. Ich kann mir auch Ehepaare vorstellen, die dann ihre privaten Kleinkriege mit an das Set bringen. Bei den beiden ist es ja genau umgekehrt:  Das sind beide zutiefst sympathische und angenehme Menschen. Wenn man die zu zweit kriegt, dann kriegt man das doppelt. Das ist ein Vergnügen. Da freut man sich jeden Morgen, wenn man Set gehen darf, weil die einfach nur nett sind – und professionell, was eine sehr gute Mischung ist.

Es gibt im Film die Szene wo herauskommt, dass die von Kramer gespielte Figur daran denkt, sich von ihrem Mann – Krassnitzer – scheiden zu lassen.

Näter: Das ist eine feine Konstellation, weil sich der Zuschauer immer was wünschen können soll. Und der Zuschauer wünscht sich, dass diese Menschen glücklich werden. Insofern ist es immer toll, wenn diejenigen, die die Krise spielen, in Wirklichkeit ganz harmonisch sind, sodass man dieses Positive trotz der Krise immer noch spürt und die Figuren immer noch gerne hat.

„Tödliche Gier“ ist ein Thriller, trotzdem gab es speziell im ersten Teil viele humoristische Elemente. Wie wichtig ist Ihnen der Witz?

Näter: Ja, das ist mir wichtig. Diese pure Krise, das ist ja etwas, das inflationiert. Wenn alles immer nur schrecklich ist, dann ist das Schreckliche bald nicht mehr schrecklich. Und eines der großen Vorbilder ist Altmeister Hitchcock, der diesen erschreckenden Film „Die Vögel“ macht und mittendrin eine Szene einfügt, wo ein Käfig mit Papageien in einem Auto ist, der Wagen fährt um eine Kurve und die Papageien legen sich ebenfalls in die Kurve. Man hat was zu schmunzeln und damit auch eine höhere Fallhöhe zu dem was danach passiert.