Er ist der Regent, den alle vom Thron stürzen wollen: Streamingdienste, Kinos, Hollywood, klassische Fernsehsender. Auf diesem Thron sitzt einer, der seine Firma mit der einstmals innovativen Idee gründete, DVDs per Post zu verschicken: Reed Hastings. Der Kopf des Streamingdienstes Netflix steht für einen Medienwandel, der sich auch sprachlich manifestierte: Aus Fernsehen wurde Streamen, aus Videoschauen der Bewegtbildkonsum, aus Sehern Nutzer. Am Donnerstag (8. Oktober) begeht Hastings seinen 60. Geburtstag.

Der größte Konkurrent seines Unternehmens sei der Schlaf, erklärte Hastings 2017 gegenüber Investoren. Wer viel streamt, schläft weniger. Läuft es für Netflix gut, wird in mehr als 190 Ländern wenig geschlafen. Die Ausnahmen sind wenige: China weigert sich beharrlich, seinen Milliardenmarkt zu öffnen, in Nordkorea, der Krim-Region und in Syrien bleibt der Streamingdienst aufgrund von Auflagen der US-Regierung ausgeschlossen. Weltweit zählt Netflix aktuell aber bereits knapp 200 Millionen Kunden.

Multimillionär war Hastings schon vor Netflix. 1997 verkaufte er seine Softwarefirma Pure noch vor dem Platzen der Dotcom-Blase um etwa 900 Millionen Dollar. Womit er sich selbst die Basis für neue Unternehmungen schuf: Die Geschichte zum Beginn von Netflix, die Hastings gerne erzählt, lautet wie folgt: Er habe sich eine Videokassette von Ron Howards Weltraumdrama „Apollo 13“ in der Videothek ausgeliehen und diese verlegt. Der Ärger über die Mahngebühren von rund 40 Dollar ließen ihn an ein Verleihmodell mit monatlichen Gebühren denken: ein Film-Abo. Zupass kam Hastings und seinem Mitstreiter Marc Randolph der Markteintritt der DVD – ein Medium, das sich per Post verschicken ließ. Damit war Netflix erfunden, ein DVD-Versand auf Abo-Basis. Als zehn Jahre später die milliardste DVD verschickt wurde, erfand Hastings das Unternehmen neu und entwarf Netflix als Streamingplattform. Die setzte ab 2011 zentral auf Eigenproduktionen, sogenannte „Originals“, und machte ihren Chef zum Herrn der Geschichten – eine traditionell mächtige Position.

Sein Privatleben halte er privat, auch weil es langweilig sei, sagt der Kalifornier über sich: „Leider und seltsamerweise habe ich keine Hobbys.“ Anders als etwa Mark Zuckerberg, der von Kindheit an geradlinig auf eine Karriere als Tech-Innovator zusteuerte, blieb der in Boston geborene Hastings zunächst unentschlossen: Ein Jahr verdingte er sich als Staubsaugervertreter, drei weitere Jahre stellte er sich in den Dienst des Friedenscorps und gab in Eswatini (früher: Swasiland) Mathematikunterricht. Erst danach entdeckte er seine Liebe für Computer. Als er sein Studium in Stanford abschloss, war Mark Zuckerberg, den er später jahrelang als Mentor beraten sollte, gerade vier Jahre alt geworden.

Mitarbeiter beschreiben Hastings als konfrontativ, klug, eingeschränkt empathiefähig, entscheidungsschwach, freundlich und getrieben vom Hang zur Perfektion. Als „Möchtegern-Steve-Jobs“, wie er sich selbst beschreibt, ist Hastings getrieben von Daten: Alle Entscheidungen stehen unter dem Prüfstand von Zahlenanalysen.

Der Triumph von Netflix ist sein Überleben. Gelegenheiten, unterzugehen, gab es in der Vergangenheit viele – etwa als sich das Unternehmen in den 2000er-Jahren gegen den übermächtigen Videoverleih Blockbuster durchsetzte. Oder als man mit „House of Cards“ alles auf den erhofften Erfolg setzte. Gelegenheiten, unterzugehen, bieten auch Gegenwart und Zukunft: Der Diskonter unter den Streamingdiensten steht unter Wachstumszwang: Abo-Rückgänge oder einen Preiskampf kann sich das hoch verschuldete Unternehmen nicht leisten.