Es war ein Hinweis, den DonaldTrump nicht verzeiht. Seit der Kurznachrichtendienst Twitter mehrere Tweets des US-Präsidenten als irreführend kennzeichnete und einem Faktencheck unterzog, wackelt ein Pfeiler am Fundament des Internets, so wie wir es heute kennen. Das Novum, einen US-Präsidenten zu prüfen, trat eine Lawine los, deren Folgen noch nicht absehbar sind. Wellen schlägt insbesondere die Ankündigung Trumps, den sogenannten Section-230-Paragrafen abschaffen zu wollen. Dieser besagt, dass Plattformen weitgehend nicht für Inhalte von Nutzern haften – das Prinzip, auf das Facebook, Youtube oder Wikipedia aufbauen.

In der gängigen Internet-Praxis werden die Tech-Plattformen heute ähnlich einer Telefongesellschaft behandelt, die nicht für die Gesprächsinhalte eines Telefonats haften muss. Festgelegt wurde der Internet-Schutz in gerade einmal 26 Wörtern eines 1996 geschaffenen Gesetzes: "Kein Anbieter oder Benutzer eines interaktiven Computerdienstes wird als Herausgeber oder Sprecher von Informationen behandelt, die von einem Drittanbieter bereitgestellt werden."

Zur Orientierung: Mark Zuckerberg war damals zwölf Jahre alt und erfreute sich noch an der „ZuckNet“ getauften Sprechanlage in seinem Zuhause. Etwas Gigantisches wie Facebook war damals noch nicht absehbar.

Twitter und Facebook im Konflikt

Anders als Twitter geht Facebook nicht gegen umstrittene Äußerungen Trumps vor. Was hier als gewaltverherrlichend gewertet wird, bleibt dort mit dem Verweis auf Neutralität und Meinungsfreiheit unkommentiert. Unter Druck bringt die Situation allerdings beide Plattformen: Twitter-Chef Jack Dorsey muss sich rechtfertigen, den Pfad der Unabhängigkeit verlassen zu haben: Warum erfolgt der Tadel gerade erst nach rund 11.500 Trump-Tweets und kurz vor den US-Wahlen? Am anderen Ende des Verhaltensspektrums stehen Facebook und Zuckerberg, der sagt, die sozialen Medien sollten keine „Schiedsrichter der Wahrheit“ sein. Seine Zurückhaltung in der Sache kam im eigenen Unternehmen nicht gut an: 600 Mitarbeiter sollen laut CNBC aus Protest ihre Arbeit niedergelegt haben.

Was passiert bei Abschaffung der Section 230?

Die aktuellen Diskussionen wären in der Lage, die Spielregeln des Internets zu ändern. Die Section 230 ist ein Schutzschild, hinter dem die Plattformen erst zu ihrer heutigen Größe heranwachsen konnten. Was wäre nun die Konsequenz der nicht nur von Trump angestrebten Widerrufung des Section-230-Paragrafen? Facebook etwa würde mit einem Schlag zum Herausgeber und, wie jedes andere Medienhaus, für seine Inhalte haftbar. Weil der auf Algorithmen basierende Newsfeed die Funktion eines Herausgebers übernommen hätte, seien die Plattformen wie eine Nachrichtenredaktion zu behandeln, fordern Kritiker schon lange. Mit allen Pflichten, etwa Schutz der Persönlichkeitsrechte oder Verboten von Hass und Hetze.

Darauf pochen insbesondere traditionelle Medienhäuser seit Langem. Zugleich würde sich durch eine Abänderung der Section 230 womöglich das Informationsangebot im Netz grundlegend ändern. Was nicht zuletzt Donald Trump spüren würde: Wird sein Hass-Liebkind Twitter für die Tweets seiner Nutzer haftbar, würden viele Trump-Tweets vorsorglich gelöscht.