Sie sollten in wenigen Wochen für Dreharbeiten nach Mauritius aufbrechen, stünden aktuell am Ende des „Nachtschicht“-Drehs. Wie geht es jetzt weiter, Herr Rohde?
Armin Rohde: Das war der ursprüngliche Plan. In einer Woche wäre ich mit der neuen „Nachtschicht“-Folge fertig, die ich jetzt in zwei Wochen überhaupt erst beginne. Schauspieler ist man so, wie ein Krokodil ein Krokodil ist. Das verlernt man nicht so schnell. Die Dreharbeiten werden natürlich unter besonderen Bedingungen stattfinden. Wir haben da einen ganzen Katalog mit Hygienemaßnahmen gekriegt.

Was für Restriktionen sind das konkret?
Rohde: Das sind in erster Linie einmal die Regeln, die sonst auch gelten: Abstandsregeln, Mundschutz. Außer man tritt vor die Kamera. Unter solchen Umständen habe ich noch nie einen Film gedreht. Nachts zwölf Stunden zu drehen ist sowieso schon anstrengend. Wenn man dabei noch einen Mundschutz trägt, was das Atmen auch nicht gerade erleichtert – da bin ich gespannt, wie das wird. Diese ganze Geschichte ist ohne Vergleich in der Menschheitsgeschichte.

Sie zählen zu den gefragtesten Schauspielern Deutschlands, sind ein Vielarbeiter. Wissen Sie schon, wie es nach der „Nachtschicht“ weitergeht?
Rohde: Nein, das kann mir im Moment überhaupt niemand sagen. Alle Projekte sind auf Eis gelegt. Damit ein Film zustande kommt, gibt es eine endlose Reihe von Verabredungen, die von allen möglichen Leuten eingehalten werden müssen. Da wissen derzeit auch die Produktionsfirmen selber nicht weiter. Da wird gepuzzelt ohne Ende. Es wird überlegt, wie Drehbücher geändert werden können und müssen, damit überhaupt etwas funktioniert.

Welchen Eindruck haben Sie vom aktuellen Zustand der Filmbranche?
Rohde: Die Branche ist in einem katastrophalen Zustand. Das fängt bei den Teammitgliedern, die man vor der Kamera nie zu sehen bekommt an. Und viele kleinere Produktionsfirmen werden diese Zeit höchstwahrscheinlich nicht überleben. Es wird in meiner Branche ein riesiger Kahlschlag entstehen, so wie in der Gastronomiebranche auch. Ich habe in den vergangenen Jahren viel gearbeitet und eine gewisse Reserve, auf die ich zurückgreifen kann. Ich stehe noch nicht gleich vor dem wirtschaftlichen Aus, aber vielen meiner Kollegen geht es ganz bitter.

Vorerst wird fast nirgendwo gedreht.
Rohde: Es ist eine Katastrophe. Das kann man nicht anders sagen. Im Moment werden noch Wiederholungen oder Projekte gezeigt, die in der Pipeline waren. Am Montag läuft „Der gute Bulle“ und dann gibt es noch 1-2 Filme mit mir, die noch nie gezeigt wurden. Aber irgendwann werden die Leute die Wiederholungen leid sein und fragen: Gibt es da nichts Neues? Ich weiß nicht, womit diese Lücken gefüllt werden. Vielleicht mit noch mehr Talkshows? Unsere Berufe gelten ja erstmal nicht als systemrelevant. Wir sorgen nicht für Essen und Trinken, und auch nicht für Toilettenpapier. Ein Problem: Selbst jemand wie ich, der einen Film nach dem anderen dreht, kommt nicht auf die für Arbeitslosengeld notwendigen Tage, weil ganz viele Arbeitstage bei uns offiziell gar nicht mitgezählt werden: Es zählen nur die Tage, an denen ich tatsächlich vor der Kamera stehe.

Nehmen wir das filmische Angebot für zu selbstverständlich?
Rohde: Ich weiß nicht, wie gefüllt die Pipelines sind. Meiner Erfahrung nach dauert es, nachdem ich einen Film gedreht habe, ein dreiviertel Jahr bis eineinhalb Jahre, bis er gezeigt wird. Aber irgendwann wird die Pipeline leer sein und das ist ein Zeitraum, den man absehen kann. Wir werden sehen, wie notwendig mein Berufsstand für diese Gesellschaft ist. Ich denke ja, dass mein Beruf ganz uralte Quellen hat: Wie ein Steinzeitmensch, der sich abends eine Tiermaske aufsetzt und die Stammesgeschichte erzählt. Wodurch der Stamm auch seine Identität gefunden hat. Und das ist neben der Unterhaltung immer die Aufgabe von uns Schauspielern: Wir sind ein Spiegel, sind die Schamanen der Gesellschaft.

Was hat ein Krimi wie „Der gute Bulle“ über uns zu erzählen?
Rohde: Es ist Lars Beckers und auch mein Impetus: Krimi ist ein Vorwand, Menschen in Extremsituationen zu zeigen. An der Schnittstelle des Lebens, wo alles Mögliche aus dem Gleis gerät. Bis es möglicherweise in der Katastrophe endet. Dass Krimis die höchsten Einschaltquoten haben, hängt damit zusammen, dass man, ohne selber in Gefahr zu geraten, anderen gefährdeten Menschen zuschauen kann. Da wird das uralte Prinzip der Katharsis wirksam: Die Seele wird gereinigt und es werden neue Ideen aufgezeigt.