Eine Art Spielanordnung ist der Kern eines jeden Krimis. Figuren werden über das Spielfeld gezogen, am Anfang steht das Verbrechen, am Ende die Aufklärung, dazwischen das Drama. Zugleich ist jeder Fall eine Schablone für Geschichten, die etwas über die Umstände aussagen, über die Zeit, in der die Handlung des Krimis spielt, und über die Zeit, in der er entstand. „Unklare Lage“, der neue „Tatort“ aus München – zu sehen an seinem Programm-Stammplatz am Sonntagabend um 20.15 Uhr in ORF 2 und ARD –, hat besonders viel mit aktuellen Befindlichkeiten zu tun.

„Ich will hier kein zweites OEZ“, sagt ein Polizist an einer Stelle der heutigen Episode. Gemeint ist das Olympia-Einkaufszentrum in München, wo am 22. Juli 2016 ein 18-jähriger Rechtsradikaler das Feuer eröffnete und neun Menschen tötete. Ganz München stand damals kopf, und falsche Gerüchte über weitere Tatorte drehten in den Echokammern der sozialen Netzwerke weiter an der Eskalationsschraube. „Überall Chaos, und jeder verdammte Idiot hat seine eigene Theorie gepostet“, erinnert sich eine der Figuren in der Fiktion des Münchner TV-Krimis an den realen Terror von 2016. Dazu passend: Um authentisch zu sein, wurde mit echten Polizisten gedreht.

Sympathisch alt

Die Hauptkommissare Leitmayr (Udo Wachtveitl) und Batic (Miroslav Nemec) sind in „Unklare Lage“ Passagiere der Geschehnisse. Um Passagiere geht es auch zu Beginn der Handlung: Als in einem Bus ein Fahrkartenkontrolleur erschossen wird, sieht es nur einen Moment lang nach einem typischen „Tatort“ aus. Stattdessen entwickelt die Episode in Kameraführung und Erzählweise dokumentarische Züge: Die Suche nach einem möglichen zweiten Attentäter wird zum Katz-und-Maus-Spiel, in dem Wahrheiten, Halbwahrheiten und blanke Lügen wie zufällig auf den Münchner Straßen liegen. Jungkommissar Kalli (Ferdinand Hofer) wird Teil der Einsatzleitung und leiht dem Zuseher seinen Blick durch den großen Kontrollraum, in dem alle Terrorermittlungen zusammenlaufen, während Batic und Leitmayr in dieser Hetzjagd sympathisch alt aussehen.

Der reale Terrorhintergrund wird im Münchner „Tatort“ zitiert und nicht überstrapaziert. Hier zeigte Regisseurin Pia Strietmann Fingerspitzengefühl – auch im Gedanken an die Angehörigen der Opfer.