Wie bereitet sich Prime Video auf neue Marktteilnehmer wie Disney+ vor?
Christoph Schneider: Grundsätzlich, und das sagen wir nicht nur als leere Worthülse: Wir fokussieren uns auf den Kunden und schauen, dass wir ihm das Beste liefern. Was links und rechts passiert, ändert nicht fundamental unsere Herangehensweise. Natürlich werden die neuen Marktteilnehmer einen gewissen Einfluss auf unser Angebot haben. Am Beispiel Disney: Was lizenzieren sie noch? Wir sind aber programmlich sehr luxuriös aufgestellt und haben ja schon vor Jahren angefangen, mit Amazon Studios selber Serien und Filme zu machen, auch im lokalen Bereich für den deutschsprachigen Markt, was uns unabhängiger macht.

Eine Marktbereinigung erwarten Sie nicht? Die Anzahl der Angebote ist mittlerweile enorm hoch, auch weil traditionelle Sender mit eigenen Angeboten ihren Teil vom Kuchen haben wollen.
Christoph Schneider: Am Ende des Tages ist es ein Wettbewerb um das Zeitbudget des Konsumenten. Keiner hat unbegrenzt viel Zeit. Ich kann keine 100 Services nutzen. In gewisser Weise wird eine Parallelität stattfinden, ich glaube auch linear und nonlinear.

Führt der Konkurrenzdruck zu mehr Experimenten oder zu Produktionen, von denen man sicher sein kann, dass sie funktionieren?
Christoph Schneider: Es wird beides geben. Im Vergleich zu uns haben Fernsehsender eine bedeutend klarere Zielgruppe, etwa wenn ich mir RTL oder SAT.1 anschaue – wir haben hingegen Zuschauer aus allen Bereichen. Das ist eine Herausforderung, wie wir es nach Außen darstellen: Wir haben „everyone’s favourite show“.

Wird es nach „Inside Borussia Dortmund“ weitere deutsche Fußball-Dokumenationen geben?
Christoph Schneider: Wir sehen uns nach allen Seiten um, müssen natürlich auch den passenden Partner haben, der die Türen aufmacht. Aber wir haben die Augen offen und führen Gespräche.

Um welche Produktionen beneiden Sie die Konkurrenz?
Christoph Schneider: Im Bereich junge Erwachsene, da könnten wir vielleicht noch ein bisschen stärker sein. Da gibt es natürlich Kollegen, die da ganz hervorragend vorgelegt haben.

Eine konkrete Produktion, wo Sie sagen, die hätte ich gerne in meinem Portfolio?
Christoph Schneider: Klar, ich würde lügen, wenn ich sage, „Stranger Things“ (Netflix, Anm.) hätte ich nicht gerne bei uns gehabt. Wer will das nicht? Aber wir haben selber starke Serien, zum Beispiel funktioniert unsere Amazon Original Serie „The Boys“ besonders bei jungen Zuschauern ganz hervorragend.

Wie sieht es mit österreichischen Produktionen aus? Auch eine Option?
Christoph Schneider: Wir haben die Ohren und Augen offen, und stehen mit dem ORF regelmäßig in Kontakt. Wenn wir ein interessantes Projekt hätten, das wir gemeinsam machen könnten, würden wir nicht Nein sagen.

In der Branche hört man oft vom „War of Talents“: Wie schwierig ist es, Talente zu finden, die „Streaming“ können?
Christoph Schneider: Ich würde gar nicht sagen, „Streaming können“. Bei unserer Größe unterscheidet sich Streaming nicht mehr zu stark vom herkömmlichen Fernsehen. Es gibt dieses goldene Ei: ein „Game of Thrones“, ein „Breaking Bad“, diese wenigen großen Serien, die Leute in ihren Bann ziehen. Jeder sucht danach und jeder spricht mit den besten Talenten – aber der Hausfrau gelingt der Apfelstrudel auch nicht immer grandios. Auf das Filmgeschäft umlegt: Ich könnte das gleiche Team hinsetzen und trotzdem funktioniert das Sequel nicht. Auch zum Glück: Es wäre vielleicht langweilig, wenn man die Erfolge am Fließband produzieren könnte.