Dieser Rückfall fällt auch international auf: In der Pressefreiheit-Rangliste rutschte Österreich 2018 nicht nur um fünf Plätze ab, sondern verlor auch seinen Status als Land mit „guter“ Pressefreiheit. Die Situation sei hierzulande nur noch „zufriedenstellend“, heißt es im gestern präsentierten Bericht der Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen (RoG). Unter den besten 30 Ländern verlor bloß die Slowakei, wo die Aufarbeitung des Mords am jungen Journalisten Jan Kuciak weiter in Gang ist, mehr Plätze als Österreich. Eine ähnlich schlechte Platzierung gab es zuletzt 2002 – dem ersten Jahr der Erhebung.

„Unsere weiße Weste, die wir vorher hatten, hat braune Flecken bekommen“, erklärt RoG-Österreich-Präsidentin RubinaMöhring. „Das ist alarmierend. Aus unseren Nachbarländern wissen wir, wie leicht angreifbar scheinbar unangreifbare Werte wie Pressefreiheit sind“, sagt Möhring, die darauf verweist, dass die Angriffe der Politik im ersten Jahr der neuen Regierung massiv zugenommen hätten. Beispiele seien Regierungspolitiker, die bewusst auf die Diffamierung einzelner Journalisten und ORF-Korrespondenten abzielen oder nach kritischen Berichten öffentlich die Absetzung von Redaktionsleitern fordern. Die schlechte Platzierung sei ein Ergebnis von „einem Jahr schwarz-blauer Koalition“, adressiert Möhring ihre Kritik deutlich.

Eine weitere Beschränkung ist der große finanzielle PR-Einsatz und die Message Controle in den Ministerien: Im Bundeskanzleramt seien mindestens 70 Mitarbeiter für die Medienarbeit engagiert worden, sagt Möhring. Zum Vergleich: die Wochenzeitung "profil" habe nur etwa 25 Mitarbeiter.

Medienforscher Fritz Hausjell von der Universität Wien sieht ein Warnsignal: Fünf Ränge zu verlieren bedeute für eine moderne Demokratie, dass „die Alarmglocken schrillen“. Komme die diskutierte Budgetfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, fürchten Hausjell und Möhring einen weiteren Verlust an Pressefreiheit in Österreich.

Von einer Einschränkung der Pressefreiheit könne „keine Rede“ sein, hieß es gestern hingegen vonseiten der Bundesregierung. Die Pressefreiheit sei „wesentliche Basis unserer Demokratie und selbstverständlich auch insbesondere für unsere Politik“, betont das Bundeskanzleramt in einer Stellungnahme. Beispielhaft verwies man auf die geschaffenen Ausnahmen für Journalisten in der Datenschutzgrundverordnung: „Es gehört zu unseren Pflichten als Demokraten, die freie Meinungsäußerung zu schützen und hochzuhalten.“

"Reporter ohne Grenzen"-Präsidentin Rubina Möhring.
"Reporter ohne Grenzen"-Präsidentin Rubina Möhring. © ROG / Liebentritt

Mit der um 1,29 Punkte gesunkenen Pressefreiheit-Beurteilung steht Österreich nicht alleine da. Weltweit sanken die Bewertungen im Vergleich zu 2017 um 0,5 Prozent. Gegenüber 2014 sind es gar elf Prozent weniger. Spitzenreiter waren 2018 erneut die Skandinavier: Norwegen liegt vor Finnland und Schweden. Deutlich aufholen konnten Äthiopien (plus 40 Plätze) und Gambia (plus 30 Plätze). Die hinteren Ränge belegen Eritrea, Nordkorea und Turkmenistan. Erstellt wird die Rangliste anhand von 117 Fragen, die in 180 Ländern von Experten beantwortet werden.

Möhring ortet in Österreich ein mangelhaftes Problembewusstsein: „Stellt euch vor, das Menschenrecht der Pressefreiheit ist in Gefahr, und alle schauen weg.“ Ansetzen müsse man auch in Schulen, wo es besseren Medienunterricht bräuchte, erklärt die RoG-Präsidentin, die 2016 das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich erhielt. Nur mit Pressefreiheit sei die Meinungsfreiheit gesichert, appelliert sie. „Wenn sie nicht zugegen ist, besteht die Gefahr, dass es sehr schnell zu einer einheitlichen Berichterstattung im Sinne einer Regierung kommt – welche Couleurs auch immer.“