Die Welt blickt nach Argentinien: Zu den Fankrawallen rund um ein Fußballspiel kommt mit dem morgen beginnenden G 20 Gipfel ein politisches Großereignis. Weniger Aufmerksamkeit richtet sich auf die starke Frauenbewegung, die von Argentinien aus global inspiriert und bei Protesten Hundertausende auf die Straße bringt.

„WELTjournal“-Redakteurin Julieta Rudich hat sich angesehen (Mittwoch, ORF 2, 22.30 Uhr), was die argentinischen Frauen um- und antreibt: „Ursache der Proteste ist der Anstieg der Frauenmorde, oft begangen vom Partner oder Ex-Partner. Es wird in Argentinien alle 31 Stunden eine Frau ermordet“, erklärt die aus Uruguay stammende Journalistin. In keinem anderen Land würde dieses Thema so direkt angesprochen, wie in Argentinien. Zu verdanken ist dies der 2015 entstandenen Frauenbewegung "Nicht eine weniger", die als grenzüberschreitender Feminismus auf der ganzen Welt Nachahmerinnen finde, führt Rudich aus.

ORF-Redakteurin Julieta Rudich mit Aktivistinnen.
ORF-Redakteurin Julieta Rudich mit Aktivistinnen. © ORF

Der Aufstand der Frauen sei dabei keine homogene Bewegung: Verschiedene Bewegungen mit unterschiedlichen Ansichten kommen zusammen und „erkennen die physische Gewalt an Frauen als Symptom der Ungleichheit der Rechte“ und einer Kultur, in der „Frauen weniger respektiert werden, ermordet oder geschlagen werden“. Um dies zu ändern, konzentriert sich die Bewegung nicht nur auf Männer, sondern auch auf Frauen: Diese müssten lernen zu hinterfragen, „ob wir weiter so in festgefahrenen Rollen leben wollen“. In diesen festgefahrenen Rollen, würde der Mann oft „zum Opfer seiner selbst“ und greift zu körperlicher Gewalt, führt Rudich aus.

Zum Zeitpunkt des Gesprächs befindet sich die Journalistin gerade für Recherchen in Uruguay, dem einzigen südamerikanischen Land, in dem Abtreibungen erlaubt seien. In Argentinien wurde eine entsprechende Initiative im Sommer abgelehnt, die Frauenbewegung „Nicht eine weniger“ lässt sich davon aber nicht abhalten. „Die Frauen in Argentinien sind weltbekannt für ihr Beharrlichkeit“, lächelt Rudich und verweist auf die ausgeprägte Protestkultur wie die Mütter des Platzes der Mairevolution, die seit Jahrzehnten für die Wahrheit marschieren. Das revolutionäre Aufbegehren läge den Argentiniern nahe. Immer wurde auch Che Guevara im zweitgrößten Land Südamerikas geboren.

Für ihre Reportage begleitete die Journalistin, die seit 1978 in Wien lebt, unter anderem zwei Tango-Sängerinnen – einer traditionell machistisch dominierte Kunstrichtung – bei ihrem sehr persönlichen Engagement gegen Gewalt gegen Frauen.

Der Protest sei kein Phänomen der Mittelschicht mehr: „Auch in den Favelas kommen die Frauen zusammen und erkennen ihre Kraft.“ Gleichzeitig kennt die frauendiskriminierende Kultur kein politisches Etikett: „Sowohl die rechten als auch die linken sind in ihrer Tradition immer machistisch gewesen.“