Ein Auto rollt im Nirgendwo einer brettlebenen Landstraße vor Wien über einen toten Fuchs. In der alten Tschesn sitzen zwei Gangster tschickend und E-Zigarette paffend und lauschen bei gleißendem Licht dem STS-Song „Irgendwann bleib i dann dort“. Kurze Zeit später liegt einer tot im Straßenstaub. Was für eine nostalgiebeschwörende Einstiegsszene. In diesem „Austro“-Tatort, dem zweiten Fall für Regisseurin Barbara Eder („Thank You For Bombing“), reiht sich eine geschmeidig süffige Szene an die nächste. Der Fall „Her mit der Marie“ mit den Kommissaren Bibi Fellner (Adele Neuhauser) und Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) ist eine 90-minütige Parade der Unterwelt-Prolos, ein Comeback des scheinbar ausgestorbenen Strizzis, eine Liebeserklärung an Wiens alteingesessenen Rotlicht-Adel.

Sogar Voodoo Jürgens macht mit

Alle tragen Tattoos am Hals, Brusthaar und Goldkettchen zu weit aufgeknöpften Hemden und Frisuren wie Vokuhilas. Dazu groovt die Musik durch den Gangster-Krimi. Sogar der Austropop-Darling Voodoo Jürgens hat mit seiner Gitarre einen Gastauftritt. Angeführt wird der Strizzi-Schwarm vom „Dokta“ – Erwin Steinhauer, der knallhart im Business ist, aber zuckersüß zu seiner Gattin, verkörpert von Maria Hofstätter. Johannes Krisch mimt den Mann fürs Grobe und in Christopher Schärf sieht der „Dokta“ seinen Nachfolger. Es ist eine hinreißende Reminiszenz an längst verloren geglaubte Zeiten. Die staubtrockenen Dialoge und der eine oder andere „Tatort“-Insiderschmäh stammen von den preisgekrönten Kärntner Drehbuchautoren Stefan Hafner und Thomas Weingartner („Wenn du wüsstest, wie schön es hier ist“, „Harri Pinter, Drecksau“). „So ein Buch angeboten zu bekommen, ist ein Spitzengefühl“, sagt die Regisseurin.

„Was ich dran sehr mag, ist, dass es eine ganz simple Geschichte mit einem riesengroßen Drama mit ganz großen Gefühlen ist, mit denen sich jeder identifizieren kann. Es geht um Betrug, Verrat, ganz viel Liebe und Kränkung. Erzählt wird sie mit vielen subtilen, fein gestrickten Gefühlen. Es menschelt.“ Den beiden Autoren habe sie auch das Buch für ihren neuen Spielfilm anvertraut.

Viele neue Thriller in Sicht


2018 war aufregend für die mehrfach ausgezeichnete Filmemacherin: Bei der internationalen ZDF-Produktion „West of Liberty“, einer sechsteiligen Thriller-Serie nach einer Romanvorlage von Thomas Engström, drehte Eder u.a. mit Wotan Wilke Möhring und Lars Eidinger in Deutschland, Schweden oder Marokko. Es zieht sie ins Ausland. Das muss Eder nicht sagen, das spürt man. „Ich drehe einfach gerne in vielen Ländern.“ Und: „Derzeit ist es keine Unmöglichkeit, an internationalen Koproduktionen oder für Netflix an europäischen Themen zu arbeiten.“

Demnächst dirigiert sie ihr Filmteam aber wieder auf Wiener Boden: Sie dreht den TV-Thriller „Wiener Blut“ nach einem Buch von Martin Ambrosch. „Endlich klappt es, dass man mir auch Politthriller anbietet und nicht mehr länger Romantikkomödien.“ Obwohl: Eine Komödie würde sie schon reizen. Warum? „Weil es die österreichische Seele ankratzt.“