1 Worum geht es heute im Austro-„Tatort“?
In einem Steinbruch in der Oststeiermark wird die Leiche eines Afrikaners entdeckt. Für die aus Wien anreisenden Bibi Fellner (Adele Neuhauser) und Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) liegt die Vermutung nahe, dass der Tote zu einem nahen Wald-Flüchtlingsheim gehören könnte. Dort kümmert sich der eigenbrötlerische Dr. Reuss (Andreas Kiendl) mit seinem Bruder um die teils illegalen Migranten. Nicht jedem im Dorf gefällt das. Das Obduktionsergebnis ändert alles: Der Tote trug das Ebola-Virus in sich, in Pöllau bricht das Chaos aus und über Bibi und Moritz kreisen bald Militärhubschrauber.

2 Wovon handelt „Virus“ wirklich?
Auf emotionaler Ebene dreht sich dieser Fall um Hysterie und die elementare Todesangst der Protagonisten. Was passiert mit Menschen, wenn sie mit einem tödlichen Virus konfrontiert sind, und das nicht über die Nachrichten, sondern konkret im eigenen Zuhause? Dazu das Thema Migration, das hier anders als so oft beim „Tatort“ abseits der (Anti-)Klischeefalle abläuft. Wer einen Moral-Krimi befürchtet, darf beruhigt sein: Dieser facettenreiche Fall weicht dem geschickt aus.

3 Wie schlägt sich Barbara Eder bei ihrem „Tatort“-Debut?
Regisseurin Barbara Eder nutzt ihren ersten Fall als Bühne, um neben spektakulären, komparsenreichen Evakuierungsszenen eine Reihe interessanter Figuren zu entwickeln. Allen voran der undurchsichtige Dr. Reuss, für den mit Andreas Kiendl eine Idealbesetzung gefunden wurde. In der Hysterie dieser Pöllauer Fiktion kehrt Eder in einer oft düsteren Bildästhetik die extremen Gefühlsregungen ihrer Figuren hervor, die von ressentimentgeladenen Rassisten bis zu grotesken Nervenbündeln reichen.

4 Wie machen sich Bibi und Moritz in der Ebola-Quarantäne?
Es ist ein Auswärtsspiel für das heimische Ermittler-Duo, nicht nur weil die Handlung in einem steirischen Dorf spielt, sondern auch, weil die sehr breite Thematik das lieb gewonnene „Zuckerbrot und Peitsche“-Spiel von Bibi und Moritz marginalisiert. Die Ausnahme ist die erste Szene, in der die beiden einen Nahkampf austragen, der frappant an ein Liebesspiel erinnert. Die Figuren werden heute aber nicht weiterentwickelt. Thomas Stipsits gibt als Manfred Schimpf wieder den Schreibtischtäter.

5 Was gefällt, was gefällt nicht?
Die Grundkonstellation eines in die Idylle gepflanzten Katastrophenfilms ist hoch spannend. In dem oststeirischen Ort entsteht ein Mikrokosmos, in dem globale Probleme der Zeit verhandelt werden. In den chaotischen Ebola-Szenen bleibt aber manches unbefriedigend unerzählt oder wird nicht aufgelöst: viel Drama, wenig Krimi. Ein ungewöhnlicher Fall, über den man reden wird.

6 Muss man heute Abend einschalten?
Ja. Nicht nur, weil „Tatort“-Freunde nach einem langen Sommer schon nach neuem Stoff lechzen. Diese Geschichte holt Ebola von Afrika nach Österreich und lässt den Zuseher nicht unbeteiligt, sondern fordert dazu auf, Stellung zu beziehen. Das lässt nicht locker. Erfrischend unüblich.