Was für eine mutige junge Dame, auf deren Rücken ein politischer Konflikt ausgetragen wird. Die erst 20-jährige Israelin Eden Golan behielt bei allem Druck in und vor der Malmö-Arena im Halbfinale die Nerven und legte einen gesanglich und choreografisch überzeugenden Auftritt hin, der sie auch in den Wettbüros nach vorne katapultierte. „Hurricane“ ist eine Power-Ballade, in der sie jeden der hohen Töne traf und über emotionale Turbulenzen, über Verlust und Trauer singt – ein Thema, das nach textlichen Abänderungen allgemein genug gehalten schien, um nicht an den Gazakonflikt zu erinnern, der dennoch diesen ESC überschattet. Fünf Ausdruckstänzer durften bei der Inszenierung nicht fehlen.

Auch in der geänderten Textversion finden sich Zeilen, die sich als Verweis auf das kollektive Trauma der Israelis verstehen lassen. „Ich bin immer noch gebrochen von diesem Wirbelsturm“, heißt es da etwa. Der Text lasse verschiedene Interpretationen zu, sagt Golan: „Jeder, der es hört, kann sich auf seiner Ebene mit dem Lied identifizieren“, postuliert die Castingshow-Gewinnerin. Die zwischen den Proben bzw. Live-Shows ihr Hotelzimmer nicht verlassen darf, antisemitischen Drohungen ausgesetzt ist und vom Geheimdienst beschützt wird. Der Sicherheitskonvoi zur Arena besteht aus 100 Polizisten.

Eden wurde in Tel Aviv geboren, ihre Mutter stammt aus der Ukraine, der Vater ist ein lettischer Jude und sie selbst lebte längere Zeit in Moskau. Respektlos war die Reaktion eines anderen Teilnehmers. Bei der Pressekonferenz der zehn Finalaufsteiger in der Nacht von Donnerstag auf Freitag zog der Niederländer Joost Klein eine Flagge über seinen Kopf, um „unsichtbar“ zu sein, während Eden sprach. Er boykottierte gestern auch die erste Generalprobe. Eden kontert: „Ich bin hier, um meine Liebe mit allen zu teilen.“ Gewonnen hat sie schon durch die Teilnahme vor rund 160 Millionen Zuschauern.