Wütende, verzweifelte nächtliche SMS von der einen Bettseite an die Person auf der anderen Bettseite. Sagen wir so: Die Beziehung zwischen Raf (Valeria Bruni Tedeschi) und Julie (Marina Foïs) war auch schon einmal harmonischer. Julie will sich trennen, Raf läuft ihr hinterher, stürzt und verletzt sich am Ellbogen. Von den kleinen und gröberen Verletzungen des Lebens bis hin zu den großen gesellschaftspolitischen Brüchen spannt die französische Filmemacherin Catherine Corsini den Bogen in ihrem in Cannes uraufgeführten Krankenhaus-Kammerspiel "La Fracture", das mit "In besten Händen" weichgespült ins Deutsche übersetzt wurde. Sie lässt darin die Bourgeoisie auf die Arbeiterklasse prallen: im hektischen Setting einer überlasteten Notaufnahme in Paris.

Der Bruch des Knochens betrifft nicht nur das körperliche Gebrechen, sondern auch die titelgebenden Kluft, sowie die Risse und Zerwürfnisse, an denen die französische Gesellschaft – und nicht nur diese – chronisch leidet. "In besten Händen" erklärt nach dem Wahlsonntag 2022 das politische System Frankreichs mit all seinen Verwerfungen seit der Präsidentschaftswahl 2017. Raf ist eine Egomanin, die glaubt, ihr sei etwas Schlimmes zugestoßen und sie sei die einzige Person in der Klinik. Das ist falsch, denn die Station ist voller verletzter Demonstrierender, die sich dem Gelbwesten-Protest angeschlossen haben. Wie der hitzige Lkw-Fahrer Yann (Pio Marmaï) aus der Provinz, der ohne Wissen seines Chefs auf den Champs-Élysées gegen die hohen Benzinpreise streikt – und für den Rücktritt von Emmanuel Macron. Er hat eine schwere Beinverletzung, die vermutlich von einer Granate stammt. Seiner Streitlust gegenüber Polizisten tut diese keinen Abbruch.

Die beiden Verletzten aus zwei Welten setzen ihre Debatten und weltanschaulichen Differenzen zwischen Untersuchungsraum und Gang fort. Und mittendrin im Mikrokosmos Notaufnahme wird klar: Überall sind die Systeme am Kollabieren. Auf der Station halten Ärzte, Schwestern und Pflegerinnen die Systeme und Leben künstlich am Laufen. Wie Kim als Schwester Göttin im grünen Kittel. Die Regisseurin besetzte sie mit der echten Gesundheitspflegerin Aïssatou Diallo Sagna, die dafür prompt einen César erhielt. Nicht nur in den Szenen mit ihr wirkt der Film dokumentarisch. Catherine Corsini seziert lustvoll und temporeich die Gegensätze der Gebrochenen und Gestrandeten: mit tragischen, sarkastischen bis todernsten Dialogen und dem Verantwortungsbewusstsein, keine der Figuren zu verraten.
Bewertung:****