Über unseren Film der Woche, die atemlose Musikbiografie "I Wanna Dance With Somebody" über Whitney Houston lesen sie hier.

Ennio Morricone
Bewertung: ****

Er sorgte in mehr als 500 Filmen in ikonenhaften Szenen für Spannung, Erleichterung und große Emotionen: der italienische Filmkomponist Ennio Moricone. Regisseur Giuseppe Tornatore ("Cinema Paradiso") setzt dem 2020 verstorbenen Maestro nun ein hinreißendes filmisches Denkmal. Unbekanntes Archivmaterial, bewegende Interviewszenen mit ihm selbst und vor allem Anekdoten von Wegbegleiterinnen und Wegbegleitern wie Clint Eastwood, Joan Baez, Quentin Tarantino oder Bruce Springsteen erzählen von seinem Talent, seinem Gespür für Melodien und der schier unglaublichen Experimentierfreude. Die kurzweilig montierten Ausflüge in die Filmhistorie machen Lust auf ein Wiedersehen mit vielen Klassikerin. (js)

Der gestiefelte Kater
Bewertung: ****

Flauschig, frech und furchtlos: Nach seinen Auftritten in den "Shrek"-Filmen erhofft sich der gestiefelte Kater den nächsten Kick. Stattdessen eine Schreckensbotschaft: Von den neun Katzenleben soll nur noch eines übrig sein. Um seinem Schicksal zu entgehen, begibt er sich auf die Suche nach dem magischen Wunschstern.
Disney-Gegner Dreamworks legt den womöglich reifsten Film bisher vor. Der zweite Kinofilm des märcheninspirierten Zorro-Verschnitts überrascht abseits der Situationskomik mit Comicästhetik und düsteren Erzählelementen. Der Tod wird zum Endgegner, den es zu besiegen gilt. Ein actiongeladener und humorvoller Animationsrausch mit einem unerwarteten Hauch Tiefgang. (cp)

EO.
Bewertung: ****

Der polnische Regieveteran Jerzy Skolimowski wagt sich mit "Eo" an eine Hommage an den Robert-Bresson-Klassiker "Au Hasard Balthazar". Der Titelheld des Spielfilms, ein überaus netter Esel, begibt sich auf eine Odyssee von Polen bis Italien voller Begegnungen mit einer Zirkus-Artistin, wilden Fußball-Hooligans, einem netten Tierarzt und einem jungen Priester, der ihm sogar eine Adelige (Gastauftritt Isabelle Huppert) vorstellt.

Die polnische Oscar-Einsendung erzählt mit seinem tierischen Helden Geschichten über die unerträgliche Leichtigkeit und Unerträglichkeit des Seins. Dabei verliert sich Skolimowski aber nicht in einem langatmigen biblischen Gleichnis – trotz Priester! Eo trägt hier keinen Jesus oder dessen jungfräuliche Mama durch die Gegend, sondern sucht seinen eigenen, recht actionreichen Weg, in kompakten 88 Filmminuten mit surreal-traumartigen Bildern von Michał Dymek. Dafür gewann "Eo" heuer in Cannes zusammen mit "Le Otto Montagne" den "Preis der Jury". (mw)

Acht Berge
Bewertung: ****

Pietro und Bruno sind zwei ungleiche Freunde. Die Romanverfilmung "Acht Berge | Le Otto Montagne" beginnt mit ihrem Kennenlernen in den 1980ern und begleitet die Freundschaft der beiden über viele Jahre - der eine ein Städter, Schreiberling und Weltenwanderer aus Turin (Luca Marinelli), der andere ein Hirten-Bub, Handwerker und Berg-Senner (Alessandro Borghi). Der Sommer in den kargen Bergen des Aosta-Tals ist idyllisch, ohne extra Kitsch. Doch es kommt auch ein Winter.

Der belgische Regisseur Felix van Groeningen kenn sich aus mit emotionaler Tiefe ohne Künstlichkeit ("The Broken Circle Breakdown" und zuletzt in den USA "Beautiful Boy"). Er und Co-Regisseurin Charlotte Vandermeersch geben dieser einfachen italienischen Geschichte eine Klarheit, die ohne viel Worte und konstruierte Wendungen auskommt und nicht nur wegen Darsteller Marinelli an die epische Kraft von "Martin Eden" erinnert. Dafür gewannen die "Acht Berge" heuer in Cannes zusammen mit "Eo" den "Preis der Jury". (mw)

Oskars Kleid
Bewertung: ****

Wie geht ein Elternteil damit um, wenn der Sohn lieber ein Mädchen sein möchte? Im Fall von Ben (Florian David Fitz), erst einmal nicht sehr gut. Der geschiedene Polizist hat mit seiner schwangeren Ex Mira (Marie Burchard) schon ständig Stress, ist eifersüchtig auf ihren Neuen, Diego (Juan Lo Sasso), und kümmert sich viel zu selten um seine Kinder Oskar (Laurì) und Erna (Ava Petsch). Als Mira ins Krankenhaus muss, nimmt Ben die Kinder zu sich. Dabei muss er erkennen, dass Oskar jetzt lieber Kleider trägt, sich in Zeichnungen als Märchenprinzessin darstellt und auch Lili genannt werden möchte. Eine Tatsache, die jeder in der Familie wusste – außer er.

Wie der Vater, der zunächst noch glaubt, das Kind würde um Aufmerksamkeit betteln, sich mit diesen neuen Umständen zurechtfindet, seinen Wertekatalog umstrukturiert und vielleicht sogar lernt, sein Kind mehr als Person als das ihm zugewiesene Geschlecht zu sehen, davon erzählt "Oskars Kleid". Dabei entlockt Fitz, der auch das Drehbuch schrieb, der Geschichte den nötigen Humor und auch Herz. Statt theatralischen Floskeln und Klischees bietet er eine rührende Vater-Sohn/Tochter-Geschichte, die sich nicht aufdrängt und trotzdem lehrreich ist. (sg)