CALL JANE
Bewertung: ****

Chicago, 1968: Die Hausfrau Joy (Elizabeth Banks), erwartet ihr zweites Kind, die Schwangerschaft ist von Komplikationen begleitet. Ihr Arzt erklärt, ihre Überlebenschance liege bei 50:50. Eine Runde an honorigen Ärzten verwehrt ihr den Abbruch. Abtreibung ist illegal. Also wendet sie sich an das Aktivistinnen-Netzwerk "Call Jane", wo ihr unkompliziert geholfen wird. Später engagiert sie sich im Kollektiv unter Leitlöwin Virginia (Sigourney Weaver). Coole Ausstattung und scharfe Dialoge machen die zweite Regiearbeit von Phyllis Nagy zu einem lässigen Wohlfühlfilm – und zu einem brisanten. Die Entscheidung des Supreme Courts zum Finale kann man nicht feiern; wissend, wie die Geschichte ausging. (js)

SERVIAM - ICH WILL DIENEN
Bewertung: ***

Seltsame Vorgänge im katholischen Mädcheninternat, befremdliche Rituale, schöne, verlogene Welt und ein gläubiges Mädchen, das bereit ist, alles für den Allmächtigen zu tun – wie einen Bußgürtel zu tragen: Ruth Maders Thriller "Serviam – Ich will dienen" spielt in den 1980ern und ist nebst Fritz Karl oder Petra Morzé sowie einem jungen, interessanten Cast bis in die kleinsten Nebenrollen mit Grete Tiesel, Johanna Orsini-Rosenberg oder Martina Spitzer hochkarätig besetzt. Die strenge Schwester (fantastisch: Maria Dragus) kämpft gegen den Untergang des Glaubens. Die surreal-eigenartige Bildsprache (Kamera Christine A. Maier) sorgt für mächtig Unbehagen, die bemühten Thrillermomente im Plot bleiben hie und da jedoch zu verwaschen. (js)

SCHÄCHTEN
Bewertung: ***

Wien, 1962: Geschäftsmann Victor Dessauer (Jeff Wilbusch) plagen Albträume, denn als Bub musste er miterleben, wie sein Großvater vor seinen Augen erschossen, Mutter und Schwester nach Mauthausen deportiert wurden. Nazijäger Simon Wiesenthal (stark: Christian Berkel) hilft Vater und Sohn, SS-Unterscharführer Kurt Gogl (furchteinflößend: Paulus Manker), der seit Kriegsende ein unbescholtenes Leben als Direktor führt, anzuklagen. Doch vor Gericht werden die Opfer verhöhnt, der Täter freigesprochen. Thomas Roth rechnet im Rachethriller ausgehend von einer wahren Story und Gerichtsprotokollen mit dem kollektiven Verdrängen ab. Harte, wichtige Kinokost; mitunter zu zerfranst erzählt. (js)
Ein Interview mit Thomas Roth lesen Sie hier.

VIOLENT NIGHT
Bewertung: ***

Spätkapitalistische Dekadenz hat Santas Werte korrumpieren lassen und den rauschbärtigen Mann in Rot in einen dauerversoffenen, vulgären Zyniker verwandelt. Als ein junges Mädchen, deren zugegeben, unverschämt reiche Familie von Eindringlingen gegeißelt wird, Santa Clause um Hilfe bittet, wird er ans Gute im Menschen erinnert – und auf einen mörderischen Rachefeldzug entsandt. Der neue Film des Genre-erfahrenen Norwegers Tommy Wirkola ("Dead Snow") ist eine action- und blutreiche Abrechnung mit den bevorstehenden Festtagsfeierlichkeiten. "Stranger Things"-Star David Harbour geht in der Rolle des alkoholkranken Weihnachtsmanns auf, John Leguizamo triumphiert als hasserfüllter Gegenspieler mit Grinch-Attitüde. Sentimentale Verirrungen sorgen für einen überflüssig süßlichen Beigeschmack. (pog)

PACIFICTION
Bewertung: **

Monsieur de Roller ist Hochkommissar Frankreichs in Tahiti, ein charismatischer Diplomat im weißen Anzug. Er ist das im Ruhepuls schlagende Herz von "Pacifiction", undurchschaubar gespielt von Benoît Magimel. Heuer in Cannes uraufgeführt, wirkt der Film wie eine intellektuelle, schaumgebremste Version von Joe D’Amatos "Papaya dei Caraibi" von 1978. Da wie dort geht es um atomare Projekte gegen den Willen der Einheimischen. Auch hier sind die nicht abgeschlossenen Kolonialdebatten eher Kulisse denn Thema. Das Manko von "Pacifiction" ist die schwache Geschichte, dem Drehbuch fehlt der Mut zur Handlung. Dennoch baut sich über die stolzen zweidreiviertel Stunden des Films mit starken Bildern eine faszinierende Stimmung auf. Schade, dass Serra seiner faszinierenden Hauptfigur nicht mehr zu tun gibt. (maw)

MEHR DENN JE
Bewertung: ****

Eine ausführliche Kritik zu unserem Film der Woche mit Vicky Krieps und Gaspard Ulliel lesen Sie hier.