Sie heißen Sudabeh Mortezai, Gregor Schmidinger, Ruth Beckermann oder Nikolaus Geyrhalter – und sie stellen, mit vielen anderen gemeinsam, den Cast des aktuellen internationalen österreichischen Filmwunders. Auch abseits großer, altbewährter Namen wie Michael Haneke, Ulrich Seidl oder Stefan Ruzowitzky.

Laut Angaben der Austrian Film Commission waren allein im Vorjahr 500 österreichische Spiel- und Dokumentarfilme auf internationale Festivals eingeladen – von Berlin bis Toronto, von Cannes bis Venedig. Keine schlechte Auslese für ein verhältnismäßig kleines Land. Nicht selten hatten die Filmemacher bei der Heimreise Preise im Gepäck. Kaum ein Film trat einen so weltweiten Triumphzug an wie die schonungslose Sexarbeiterinnen-Studie „Joy“ von Sudabeh Mortezai, die in semidokumentarischem Stil das perfide System nigerianischer Prostitution in Wien skizziert. Also: Alles andere als ein gefälliger, massentauglicher Stoff. „Joy“ räumte Auszeichnungen in Venedig, London, Chicago, Marrakesch und Saarbrücken ab. Den Jahrgang 2018 charakterisiert Roland Teichmann, Direktor des Österreichischen Filminstituts, so: „International erfolgreich und zu Hause geschätzt.“ Und: Im Autorenkino halte sich ein „Hang zum politischen Kino.“

Diagonale zeigt die  Bandbreite heimischen Schaffens

Einmal im Jahr wird das Filmschaffen in all seiner Vielfalt, politischen Brisanz, erzählerischer Eigenwilligkeit, poetischen Sperrigkeit und ästhetischer Radikalität beim Festival Diagonale in Graz verdichtet. Wer das 351 Seiten dicke Programmbuch durchblättert, sieht, wie vielseitig, selbstbewusst und wagemutig das Filmland Österreich längst ist. Weltweit hat das Austro-Kino einen Lauf. Dabei laufen zuhause den Kinos die Besucher davon. 2018 zählten die heimischen Lichtspielhäuser 13,7 Millionen Besucher, das sind um 1,6 Millionen weniger als ein Jahr davor. Arthouse-Filme sind, egal welcher Provenienz, an den Kinokassen keine Renner, 15.000 Besucher gelten da schon als Erfolg.

Austro-Komödien hingegen liebt das Publikum, wie derzeit Kabarettist Thomas Stipsits als Zufalls-Callboy in „Love Machine“ beweist. Sensationelle 130.000 Besucher zählt der seichte Spaß, der am 24. Jänner angelaufen ist und noch immer in 40 Kinos auf dem Spielplan steht. Österreichs Kino, so Teichmann, fehlten oft Genrefilme, Komödien, Publikumsträchtiges wie Weihnachtsfilme oder Arbeiten für Jugendliche: „Das Publikum für heimischen Content existiert.“


Da passt es ja gut, dass dem Genrekino bei der Diagonale nun einiger Platz eingeräumt ist. Dennoch sieht Sebastian Höglinger, einer der beiden Intendanten, den heimischen Film „international gefeiert, aber national argwöhnisch beäugt“, obwohl er, dank „Radikalität und Diversität“, heute höchst unterhaltsam sei. Apropos Diversität: Der erste „Film Gender Report“ aus dem Jahr 2016/17 attestiert der heimischen Filmproduktion einigen Nachholbedarf. 75 Prozent, also drei Viertel aller Filme wurden von Männern inszeniert, nur 21 Prozent von Frauen. Mehr noch: 80 Prozent der Herstellungsförderungen gingen an Männer. Und: Die Kinostartförderung ging im Zeitraum 2012 bis 2016 zu 92 Prozent an männliche Verleiher.

Eindeutige Fakten, denen man entgegenzuwirken versucht. Man wolle mehr weibliche Beteiligung in Projekten forcieren, verrät Teichmann. Wie? Indem man Fördergelder auch an Frauen in wichtigen Positionen wie Produktion, Regie oder Drehbuch koppelt. „Es gibt eine Trendwende“, sagt er. Inwieweit diese Ungleichheit eindämmt, wird der neue Film Gender Report 2019 zeigen.

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