"Bohemian Rhapsody“ wurde ja bereits 2010 angekündigt. Doch bis zur Fertigstellung war es noch ein steiniger Weg. Mehrere Schauspieler waren im Gespräch. Wieso wurden am Ende Sie ausgewählt?
RAMI MALEK: Grund war vermutlich meine Mitwirkung in der Serie „Mr. Robot“. Dafür habe ich eine Emmy-Trophäe gewonnen und sogar Kevin Spacey geschlagen. Bei den Auditions war den Machern aufgefallen, dass ich für die komplexe Figur, die ich zu spielen hatte, Verwundbarkeit und Wärme ebenso wie Eiseskälte gut ausdrücken konnte.

Was wussten Sie vor den Dreharbeiten über Freddie Mercury?
RAMI MALEK: Wie sich herausstellte, herzlich wenig. Klar kannte ich die Hits von Queen. Doch ich hatte Freddie zum Beispiel noch nie sprechen gehört. Aber als die Einladung nach London kam, schwebte ich im siebenten Himmel. Und sie haben mich dort gleich ins kalte Wasser geschmissen. Auf in die Abbey Road Studios! Dort wollten sie gleich Bandaufnahmen machen. Ich musste in Anwesenheit des Queen-Gitarristen Brian May singen. Den habe ich bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal getroffen, und er war ungemein hilfsbereit und freundlich.

Die Gesangsaufnahmen in „Bohemian Rhapsody“ sind ein Mix aus der Originalstimme von Freddie Mercury, Ihrer Stimme und der des Kanadiers Marc Martel.
RAMI MALEK: Da haben die Tontechniker Geniales geleistet. Ich selbst kenne noch heute nichts auseinander.

Wollten Sie schon immer Schauspieler werden?
RAMI MALEK: Ich war in der Schule in der Diskussionsklasse. Nun, die Diskutiererei war nicht das Meine, die „humorvolle oder dramatische Interpretation“ von Dingen lag mir mehr. Ein Lehrer erkannte das, meinte, die Schauspielerei wäre gut für mich, und gab mir ein Textbuch für eine Schulaufführung mit. Das war’s dann.

Sie haben aber auch einen „bürgerlichen“ Beruf, nicht wahr?
RAMI MALEK: Mein Vater war Immobilienmakler, und auch ich erhielt eine Lizenz. Das wäre halt der Weg zu einer „sicheren Existenz“ gewesen. Doch spätestens als mir Steven Spielberg eine Rolle in der Weltkriegs-II-Serie „The Pacific“ gab, war das Makler-Gespenst für alle Zeiten verdrängt.

Wie ging es nach den Londoner Proben für „Bohemian Rhapsody“ weiter?
RAMI MALEK: Ich flog noch einmal auf eigene Kosten nach London, besorgte mir einschlägige Literatur über Queen und jede Menge Mercury-Interviews, um seine Stimme intus zu kriegen. Ich führte auch längere Gespräche mit Queen-Mitgliedern. Und das Live-Aid-Konzert habe ich mir 100.000 Mal angeschaut. Mit einem Coach habe ich mir nicht nur die Sprechgewohnheiten von Freddie Mercury angeeignet, sondern auch die Körpersprache. Für den Dreh ließ ich mir natürlich einen Schnurrbart – nie zuvor hatte ich einen getragen – wachsen, und mein Gesicht wurde mit Prothesen in jenes von Freddie verwandelt. Natürlich bekam ich auch seinen „Überbiss“ verpasst.

Muss eine Wohltat gewesen sein, es am letzten Drehtag wieder abzulegen.
RAMI MALEK: Da fühlte ich mich auf einmal ziemlich nackt.

Wie nahe sind Sie Freddie in diesen Wochen gekommen?
RAMI MALEK: Hochinteressant war für mich, selbst Kind einer ägyptischen Immigranten-Familie, seine Suche nach Identität, der Weg des Einwanderers zum Rock-Gott. Seine Familienmitglieder waren iranische Parsen, die vor der muslimischen Eroberung ihres Landes nach Indien geflohen waren. Der Vater arbeitete für das British Colonial Office in Sansibar, wo Freddie auch als Farrokh Bulsara geboren worden war. Die blutige Revolution im Jahr 1964 zwang die Familie, Sansibar in Richtung London zu verlassen. Im Alter von 17 Jahren bekam Freddie am Airport Heathrow seinen ersten Job, er musste Koffer aufs Förderband laden. Vergessen darf man in seiner Biographie auch nicht das Ausleben seiner homosexuellen Neigungen. Damals stand Homosexualität in Großbritannien ja noch unter Strafe.

Rami Malek mit den Queen-Musikern Brian May und Roger Taylor
Rami Malek mit den Queen-Musikern Brian May und Roger Taylor © Vianney Le Caer/Invision/AP (Vianney Le Caer)

Wie weit sind Sie bei den Filmarbeiten von Rami zu Freddie geworden?
RAMI MALEK: Ich bin der Ansicht: Ein Schlüssel für beste Schauspielerei und charismatische Wirkung ist, gut zuhören zu können. Und ich bin ein guter Zuhörer. Das führte aber auch dazu, dass ich ihm immer näherrückte und mich in vielen komplizierten Situationen fragte: Wie würde Freddie das lösen? Und ich war mir sicher: Er hätte vieles genauso wie ich durchgezogen.

Freddie war nur 45 Jahre alt, als er am 24. November 1991 starb. Seine gute Freundin Mary Austin hat sich bis zum Ende um ihn gekümmert, Lebensgefährte Jim Hutton, dessen Ehering er trug, saß am Sterbebett und hielt ihm die Hand. Wie würden Sie Freddy beschreiben?
RAMI MALEK: Es gab große Kontraste. Etwa seine private Schüchternheit und sein unglaubliches Selbstbewusstsein auf der Bühne. Ich bewunderte auch seine Großzügigkeit und Hingabe. Für mich wurde er zu einem Idol, und ich habe ihn als Menschen lieben gelernt.

Welche Szenen waren für Sie am beeindruckendsten?
RAMI MALEK: Die Aufnahmen des Live-Aid-Konzertes, die wir gleich am Anfang gemacht haben. Dafür wurde die damalige Bühne des Wembley-Stadions am Stadtrand von Hemel Hempstead, 40 Kilometer nordöstlich von London, in einem ehemaligen Fliegerhorst genau nachgebaut. Wir legten uns nicht nur mächtig ins Zeug, sondern hatten auch Spaß.

Gab es auch Szenen, die für Sie besonders schwierig waren?
RAMI MALEK: Allerdings! Freddie war ein großer Katzenfreund. Es ist auch im Film zu sehen, wie er sie verwöhnt und streichelt. Aber: Der im Film war ich. Und ich habe eine Katzenallergie.