Der hohe Rat und das tiefe Loch: Das 35-köpfige oberste ORF-Gremium besprach am Donnerstag die finanzielle Misere, die sich am Horizont abzeichnet. Nicht weniger als 325 Millionen Euro fehlen dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk kumuliert bis 2026, von Untergangsstimmung war aber noch nichts zu spüren. Auch weil 2023 noch ausgeglichen bilanziert wird: 676 Millionen Euro sollen durch die GIS fließen, 218 durch Werbung, 131 durch sonstige Erlöse.

Die finanzielle Situation ist allerdings ernst. Entsprechend sei auch die Sitzung verlaufen, berichtet Lothar Lockl, seit heuer Vorsitzender des Gremiums. In Bezug auf die Schieflage, auf die der ORF zusteuert, verweist er auf bestehende und kommende Sparprogramme: Nur durch massive Effizienzmaßnahmen sei es 2023 möglich, noch ausgeglichen zu bilanzieren. In den Folgejahren lassen sich die Kostensteigerungen, auch durch die Inflation, nicht mehr kompensieren.

„Wir stehen an einem Wendepunkt“, verweist der Grüne-Stiftungsrat Lockl auf die Partner in der Film- oder Musikwirtschaft und die regionale Berichterstattung, die in den Landesstudios beheimatet ist. Nicht nur die Partner. Auch die Bevölkerung habe sich Klarheit verdient, die am Ende die Politik schaffen müsse: „Es ist eine echte Weichenstellung, dem muss sich die Medienpolitik stellen.“ Dazu zwingt sie ein Spruch des Verfassungsgerichtshofs, bis Ende 2023 braucht der ORF eine neue finanzielle Grundlage. Die ORF-Finanzaussichten bringen zusätzlich Druck in die ohnehin aufgeladene Finanzierungsdebatte.

Weißmann hat einen Plan B

Der Forderung, den ORF müsse es künftig billiger geben, hält Lockl die Zahl von 6,5 Millionen täglichen Nutzern der Angebote des Senders entgegen. Kürzen könne man immer, allerdings würde „Wesentliches unwiderruflich verloren gehen.“

ORF-Chef Roland Weißmann ließ gestern wissen, er erhoffe sich von der Politik eine „ausreichende Finanzierung“. Ansonsten hätte man einen Plan B: „Am Ende des Tages werden wir alle Entscheidungen akzeptieren und entsprechend handeln.“

Neuschitzer gegen Weltnews aus Landesstudios

Was das Finanzielle betrifft, war man sich beim Stiftungsrat einig, Siggi Neuschitzer, Stiftungsrat für das Bundesland Kärnten, präzisiert: „Es darf nicht nur nachgedacht werden: Wie kriegen wir mehr Geld? Sondern auch: Wie sparen wir? Wir müssen auch die Strukturen im ORF hinterfragen.“ Was ihn besonders ärgert, sind offenbar neue Aufgaben für die Landesstudios: „Wir haben in Wien einen voll funktionierenden Newsroom und nun kommt man auf dem Küniglberg auf die Idee, dass die Landesstudios die internationalen Nachrichten für das Radio selbst produzieren sollen, statt sie aus Wien zu übernehmen – eine der größten Schnapsideen, die ich in meinen 13 Jahren als Stiftungsrat je gehört habe.“

Was Neuschitzer freut, ist das Bekenntnis Weißmanns zu den Landesstudios, die bei der Diskussion um Einsparungspotenzial immer wieder in der Ziehung sind: „Der Generaldirektor hat sich während des Plenums zu 100 Prozent für den Erhalt der Landesstudios ausgesprochen.“ Apropos Bekenntnis zum Regionalen: Der Kärntner erneuert seine Forderung nach einer Bundesländertour von „Guten Morgen Österreich“: „Wir müssen die Leute dort abholen, wo sie sind.“