Ausstellungen macht man normalerweise, um Kunstwerke möglichst vielen Menschen zu zeigen. Nicht so diese. Richard Kriesche hat eine radikal coronagerechte Schau seiner bisher zwölf Interventionen zum Thema Ostern zusammengestellt, die er seit 2007 mit und in der Kleinen Zeitung verwirklicht hat. Nur die jüngste, die Sie heute vor sich haben, fehlt. Sie zieht die Summe alles Vorangegangenen. Auf dem heutigen Zeitungscover schlägt Kriesche einen vertikalen Kreuzbalken ein, Symbol der Zeitenwende, der Stunde null der neuen Zeitrechnung nach dem Tod Christi. Alle früheren Gestaltungen können Sie auf unserer Website oder der App in einem virtuellen Galerienbesuch wiedersehen.

Die gemeinsame Reise begann 2007 mit fünf Doppelseiten über die Absurdität des Blutvergießens. Richard Kriesche wollte fünf Ausgaben der Zeitung kapern für ein Projekt über Blut als verbindendes Element aller Menschen. Das passt zu Ostern, fanden wir und stimmten zu, je eine Doppelseite zart mit Druckerfarben-Blut bespritzen zu lassen, das Kriesche Menschen aus unterschiedlichen Völkern oder Religionsgemeinschaften zuordnete. Den österlichen Schlusspunkt setzte die weiße Titelseite, die nur ein Zitat des Genetikers Markus Hengstschläger zierte: Aus Blutproben lasse sich kein Rückschluss auf die Hautfarbe eines Menschen ziehen, schrieb Hengstschläger.

Als sehr komplex in der Herstellung erwies sich Kriesches Idee von 2012, den Text des Osterevangeliums in einer schwarzen, auf den Kopf gestellten Zeile durch die Zeitung laufen zu lassen. Einen regelrechten Sturm der Entrüstung löste der Künstler mit seiner Parte am Karfreitag 2009 aus, die das Todesdatum Jesu im Heute festsetzte. Blasphemie, riefen die einen, Beckmesser wiesen uns auf den „Irrtum“ im Datum hin.

Auf dem Zeitungscover für den Karfreitag 2021 schlägt Kriesche einen vertikalen Kreuzbalken ein, Symbol der Zeitenwende, der Stunde null der neuen Zeitrechnung nach dem Tod Christi.

Was Kriesche bei allen diesen Annäherungsversuchen motiviert, erklärte er in einem Interview zu seinem 80. Geburtstag im Vorjahr: „Was mich am Christentum grundsätzlich fasziniert, ist die Lehre Jesu, die ich als Kind mitbekommen habe. Da gibt’s nichts, wo ich sagen würde, das hat keinen Sinn mehr, das ist außer der Zeit. Es ist alles in sich stimmig. Unglaublich aber ist, wenn er sagt, das ist mein Leib, das ist mein Blut. Da muss ich doch sagen: Das ist nicht möglich. Das aber ist das Tolle am Christentum, es ist nur zu glauben – eine großartige Behauptung. Ich kann sie glauben, weil das andere dahinter Hand und Fuß hat.“

Das andere dahinter, das, was Kriesche „Revolution“ nennt, ist der Bruch mit den Selbstverständlichkeiten, die sich die Menschen im Umgang angewöhnt haben. Dass der Stärkere den Schwächeren überwältigt und der Einzelne von allen guten Geister verlassen ist. „Du bist nicht allein“, seine Intuition für das Diözesanjubiläum, ein Gipfelkreuz und unsere Titelseiten von 2019, hat später die Regierung für ihre Pandemie-Kampagne abgekupfert.