Nach einem knappest inszenierten "Fräulein Julie" zum Kultur-Comeback ist die zweite große Premiere des Wiener Burgtheaters (wegen Umbau im Akademietheater) eine üppig ausufernde Angelegenheit: Oscar Wildes 1895 uraufgeführter absurd-komischer, aber auch bitterböser, abrechnender Dauerbrenner "Bunbury" mutiert unter der Regie des italienischen Autors und Theatermachers Antonio Latella zu einer knalligen, schreienden, im Chor stöhnenden und gaglastigen Nummern-Revue. Hier wird nach Monaten der Zwangspause und steter Ungewissheit, wann die Proben tatsächlich in eine Premiere münden werden, nun in drei Akten und knapp drei Stunden aus dem Vollen geschöpft. Vor allem aus voller Kehle.

Auf einer leeren, reduzierten Bühne, die bis zur Hinterbühne freigelegt worden ist, tobt sich das fantastische, wunderbar zusammenspielende Ensemble aus: konsequent overdressed im 20er-Jahre-Look, in Glitzeranzügen, Spitzen-BHs, rückenfreien Kleidern, in Rosa oder in der ganz großen Robe mit aufwendigem Hutschmuck. Hin und wieder stören ein paar batteriebetriebene Ratten oder Bühnenhackler die Darstellenden. Die Entlarvung der sozialen Doppelbödigkeiten, für die Wildes Klassiker nebst sexuellen Andeutungen im viktorianischen Zeitalter auch stand, gehen vor lauter Schreien - es wird mehr geschrien als gesprochen - dröhnenden Beats, komödiantischen Wiederholungen, gelungenen Tanz- und Musiknummern mit vielen Referenzen zwischendurch fast unter. Hauptsache grell und laut. Auf den "Gay Moment" weist einen Marcel Heupermann als Gentleman aber dankenswerterweise hin.

Der Abend ist wie die Party, nach der wir uns so lange gesehnt haben. Laut, wild, ausufernd, leidenschaftlich, immer in der Auslage. Und dabei auch sehr anstrengend. Das konstruierte Doppelleben der zwei Dandys Algernon (Tim Werths) und Jack (Florian Teichtmeister) enthält ein Pointenfeuerwerk. Während Algernon den kranken Freund Bunbury erfindet, flunkert Jack mit seinem Bruder Ernst, um den er sich angeblich kümmert. Doch Jack will Schluss machen mit den Lügen und seinen erfundenen Bruder Ernst bald sterben zu lassen und stattdessen Gwendolen (Mavie Hörbiger) um seine Hand zu bitten. Wider den Willen deren Mutter Lady Bracknells (furios herrschend als Bühnen-Cruella: Regina Fritsch). Blöderweise hat sich Gwendolen in die Vorstellung verliebt hat, einen Mann namens Ernst zu heiraten. Zum Verwirrspiel gesellen sich Mündling Cecily (Andrea Wenzl), die glaubt, Jacks Bruder Ernst zu heiraten. Der Schwindel fliegt auf. Auch jener von Miss Prism (Mehmet Atesci).

Und während die Akte eins und zwei völlig überdreht daherkommen, kehrt bei Akt Nummer drei wieder ein wenig Ernsthaftigkeit und Stille ein. Mitsamt hübscher, instagramtauglicher Arrangements, einer Tanznummer aus dem Filmmusical "Chicago" und einem großartigen Bun-bun-bunbury-A-capella-Chor.

Zum Finale wird Mitmachtheater kredenzt. Jetzt mal im Ernst: Das ist wahrlich nicht das Beste, was man über einen Abend im Akademietheater sagen kann.

Braver Beifall.