Nach dem furiosen Audio-Rundgang "Black Box" von Rimini Protokoll setzte das auf die Wiedereröffnung unter Neo-Intendant Kay Voges harrende Wiener Volkstheater auf ein weiteres pandemietaugliches Theatererlebnis. Bei "Tausend Wege - Ein Telefonat" der US-Theatermacher 600 Highwaymen (Abigail Browde und Michael Silverstone) muss man die eigenen vier Wände gar nicht mehr verlassen, sondern einfach nur mit aufgeladenem Handy ohne Lautsprecher und Blue Tooth-Kopfhörer eine Telefonnummer anrufen. In der Leitung begrüßt einen eine weibliche Stimme, eine zweite unbekannte Person entert die Situation. Man wird zu Person A oder Person B und nach der Ankündigung: "Dies ist kein Gespräch. Dies ist eine Möglichkeit, einander zu begegnen" startet das Telefontheater. Und: "Worte sind alles, was wir haben", mahnt die Computerstimme.

Fragen werden gestellt, Antworten gegeben. Es entstehen Pausen, manchmal hüstelt eine von uns, lacht oder kommentiert das Gehörte ausgerechnet dann, wenn neue Anweisungen folgen. Dabei wird nichts wiederholt. Es startet mit lockeren Aufwärmfragen: Wie sieht der Fußboden aus? Worauf sitzt du? Was liegt rechts von dir? Und hinter dir? Wie viel Gelb siehst du in dem Zimmer? Bald wird es interessanter: Man ist aufgefordert, seinen Puls laut zu erzählen, das Lieblingsgedicht zu referieren oder den Lieblingssong zu summen, soll über seine linke Wange streicheln, die Hand in den Nacken legen.

Bald wird es persönlicher: Erinnere dich an deine Kindheit. Man wird zum Erzählen aufgefordert. Wie viel von dem Mädchen steckt noch in dir? Und was nicht mehr? Hast du schon einmal ein Leben gerettet? Wie heißt ein Mensch, den du liebst? Und einen, der einem nahesteht? Was macht diese Person gerade? Welches Shirt trägt sie?

Keine Frage, dieses konzentrierte Telefontheater unternimmt den Versuch, ein sinnliches, einzigartiges Theatererlebnis zu provozieren. Zwischen viel zu vielen Telefonaten am Handy oder diversen Videotelefonie-Anbietern muss man sich eine Stunde lang  konzentrieren, wird aus dem Alltag im Wohnzimmer gerissen und darf etwas erleben. Und man wäre neugierig, wie die Person zur Stimme aussieht: wie sie lacht, sich bewegt. In manchen Momenten, zum Beispiel als man einen Autounfall auf der ewig langen Straße in der Wüste imaginiert, springt das Kopfkino richtig an.

Über weiter Strecken allerdings bleibt das Gehörgänge-Theater aber einfach das emotionslose Abspulen eines Programms unter fremden Stimmen. Schade. Wenigstens ließ sich das Rätsel der nackten Frau, auf das Frau B. in ihrem blauen Zimmer mit hundert Jahre altem Parkettboden schaute, noch klären.

Termine bis 22. April. Karten: www.volkstheater.at