Dem Publikum wäre es vermutlich egal gewesen, was genau Rolando Villazon am Dienstagabend im Haus für Mozart bringt. Hauptsache er ist da und tut, wofür er geliebt wird: charmant durchs Programm führen, ein bisschen blödeln und irgendwann auch singen. Er hätte es leicht haben können, trotzdem hatte der Startenor ein durchdachtes und liebevoll gestaltetes Programm im Gepäck.

"Lieder aus der alten und der neuen Welt" hat Villazon ausgesucht und damit seiner Muttersprache eine Liebeserklärung gemacht. Die Lieder sind vertonte Gedichte, Volksweisen und Erzählungen spanischer und lateinamerikanischer Komponisten. Besonders die von Silvestre Revueltas vertonten Kindergedichte schienen es dem mexikanischen Tenor angetan zu haben. "Das sind keine Popsongs, sondern Kunstlieder von einem meiner Lieblingskomponisten. Und das Schönste, es sind Lieder für Kinder", moderierte er die fünf Stücke auf Deutsch an und dann gleich noch einmal auf Englisch. Seine Fans reisen ihm schließlich aus der ganzen Welt nach.

Die Kinderlieder erwiesen sich tatsächlich als Highlight des Programms, denn hier war Villazon ganz in seinem Element. Die Texte von Federico Garcia Lorca changieren zwischen Komik und Absurdität, handeln von Echsen, die ihre Verlobungsringe verloren haben oder einem Jungen, der gerne aus Silber bestünde. Und genau hier fand der sonst so aufbrausende Mexikaner zu einer Gelassenheit und gradlinigen Melodieführung, die dem Rest des Programms redlich gut getan hätte.

Es waren die lauten Momente, die überwogen, denn Villazon ist und bleibt ein Stehaufmännchen, dass seine energiegeladenen Töne nur so ins Publikum schießt. Den dynamischen und komödiantischen Stücken wie beispielsweise den "Klassischen spanischen Liedern" von Fernando Obradors schadete das nicht. Das Komische vertrug einen Schuss Übertreibung, doch das Differenzieren zu anderen Thematiken wollte nicht so recht gelingen.

So schien letztlich alles aus einem Guss und dafür wiederum fehlte Villazon das stimmliche Durchhaltevermögen. Das Wiegenlied interpretierte er genauso arienhaft wie die Seguidilla. An Einschlafen war hier gar nicht erst zu denken. Für wenigstens ein paar ruhige Momente konnte Klavierpartnerin Carrie-Ann Matheson sorgen. Sie erzeugte zwischen all der Show schönste Stimmungen von sanft wiegend bis hin zu temperamentvollen Staccati, als würde sie Flamenco auf einer Gitarre zupfen.

Nach inflationärem Zwischenapplaus brach nach der letzten "Gitana" von Calvo eine Flutwelle an Jubel und Bravo auf Rolando Villazon herunter, die vermutlich locker mit der Euphorie im Wiener Ernst-Happel-Stadion bei Popstar Ed Sheeran mithalten konnte. Man fragt sich, wie Villazon das macht. Es ist nicht die Qualität, mit der er sein Publikum vom Hocker reißt, aber sein unendliches Charisma. Er liebt seine Fans und sie ihn noch viel mehr. Dies war spätestens bewiesen, als sich das gesamte Haus für Mozart bei der dritten Zugabe "Cielito lindo" - dem berühmtesten mexikanischen Volkslied - "Ay, Ay, Ay"-singend in den Armen lag. Viva Mexico! Viva Rolando!