Als Manon erobert sie derzeit die Herzen des Salzburger Festspielpublikums, mit ihrer neuen "Verismo"-CD präsentiert sie ihren Wechsel ins dramatische Fach als nahezu vollzogen. "Diese Rollen verstehen keinen Spaß", sagte Anna Netrebko am 5. August  bei einem Pressegespräch: "Sie fordern mir alles ab." Nächstes Jahr wird sie hier als Aida debütieren, für 2018 ist sie mit Bayreuth im Gespräch.

In Salzburg hat Anna Netrebko "Festspielgeschichte geschrieben", wie Präsidentin Helga Rabl-Stadler betonte. 2002 feierte sie ihren ersten großen Erfolg als Donna Anna unter Nikolaus Harnoncourt. "Ich habe zwei Phrasen gesungen beim Vorsingen, dann hat er mich schon unterbrochen und gesagt: Los, wir arbeiten", erinnerte sich Netrebko. Gearbeitet habe man dann aber gar nicht viel, so einfach war es miteinander. "Ich hab ihn einfach angeschaut und gemacht, was er wollte. Er wusste genau, wie es sein muss und war mit seinen völlig anderen Ideen unglaublich überzeugend."

Abschied von Mozart

Nach dem Riesenerfolg der "Traviata" von Willy Decker ("Jeder mochte sie - also war sie offenbar gut"), stand sie 2006 wieder vor Harnoncourt als Susanna im "Figaro" auf der Bühne. "Diese Produktion habe ich geliebt", kommt sie ins Schwärmen. Es war eine dunkle, depressive Susanna, ganz anders als sonst, aber Claus Guths Ideen habe sie komplett vertraut: "Seine Vision für das Stück war so intelligent." Gleichzeitig sei das der Moment gewesen, als ihr dämmerte, dass ihre Stimme für Mozart zu groß wird. "Nach meinem Kind wurde es dann ganz klar: 2009 habe ich mit dem Wechsel begonnen - aber ich hätte niemals gedacht, dass ich so weit gehen würde!"

Wer hätte Netrebko damals schon als Tosca gesehen? "Ins dramatische Repertoire zu wechseln, wenn man als lyrischer Sopran geboren wurde, ist sehr hart. Da gibt es keine Scherze mehr. Wenn man diesen Schritt macht, muss einem klar sein, dass die vokale Karriere plötzlich sehr kurz sein kann. Um sie zu verlängern, muss man alles unglaublich vorsichtig vorbereiten. Und es nicht übersingen. Manche Rollen - auch die Manon Lescaut - kann ich singen, aber nicht zu oft." Mit dem Wechsel ist die Sopranistin dennoch glücklich. "Ich will mit 45 nicht mehr so tun, als ob ich ein junges Mädchen wäre."

Neue CD

Die CD-Aufnahme, bei der mit "Turandot" oder "Tosca" auch zahlreiche Rollen dabei sind, die Netrebko noch nie gesungen hat, war entsprechend herausfordernd. "Es hat fast zwei Jahre gedauert. Wir haben einmal alles aufgenommen, beim Anhören hat es mir nicht gefallen - dann haben wir alles neu gemacht." Für Verismo habe sie unbedingt ein italienisches Orchester und einen italienischen Dirigenten haben wollen. "Antonio Pappano war so nett, es im engen Zeitplan der Accademia Santa Cecilia unterzubringen - ein paar Tage im Oktober, dann ein paar Stunden im nächsten Jänner", erzählt Netrebko.

Weitere Rollendebüts

In manchen Rollen wird Netrebko tatsächlich bereits im nächsten Jahr debütieren: In Cileas "Adriana Lecouvreur" etwa oder in Giordanos "Andrea Chenier". In Salzburg wird sie unter Muti die neue Aida sein - an der Seite von Franceso Meli und ihres Gatten Yusif Eyvazov, die sich die Rolle des Ramades teilen. Mit ihrem Mann plant sie viele gemeinsame Auftritte. "Wir haben das Glück, dass wir das gleiche Repertoire singen", so Netrebko. Seit sie ihn in Rom - bei "Manon Lescaut", ebenfalls unter Muti - kennenlernte, sei sie fasziniert von seiner Stimme. "Er hat ein riesiges Talent, und er muss sich noch weiter öffnen. Daran arbeitet er sehr hart - sein großer Erfolg hier in der 'Manon' macht mich sehr glücklich", gestand sie.

In Wien wird Netrebko in der kommenden Saison in der Neuproduktion des "Trovatore" auf der Bühne stehen, ihre Verpflichtung als "Norma" am Covent Garden hat sie zurückgelegt, was für einiges böses Blut sorgte. "Ich habe es wirklich versucht - aber letztlich muss ich mir treu sein", so Netrebko. "Das sind sehr große Rollen. Damit ich das singen kann, muss ich meine Rollen wirklich lieben. Sonst geht es nicht. Ich habe lang versucht, die Norma zu lieben. Aber es ist nicht passiert. Mein Herz war nicht darin."

Am Grünen Hügel

Gut gegangen ist dagegen das Debüt als "Elsa" im "Lohengrin", unter Christian Thielemann in Dresden. "Ich war sehr glücklich mit der Rolle", so Netrebko und bestätigt Gerüchte, wonach sie damit 2018 ihr Debüt am Grünen Hügel geben könnte. "Wir sind im Gespräch. Wenn sie mit mir glücklich sind und ich mit ihnen, dann könnte es passieren." Dafür würde sie auch noch einen Anlauf nehmen, um sich den Text zu merken - in Dresden benutzte sie Texteinspielungen per Monitor, wie sie heute "ein wirklich großes, schlimmes Geheimnis über mich" verriet.

"Ich habe alles versucht, monatelang. Aber ich konnte es mir einfach nicht merken. Thielemann war sehr geduldig mit mir, aber irgendwann hat er gesagt: Willst du den Monitor links oder rechts?" Sie verstehe zwar Deutsch und liebe die Sprache, so die Wahlwienerin, mit dem Sprechen habe sie es aber schwer. "Immerhin habe ich für die 'Elsa' sehr hart an meiner Aussprache gearbeitet. Die ist mittlerweile ganz gut."