Mit Herrn Murakamis Büchern ist man gerne per Sie. Nicht, weil der japanische Erzähler unangenehm oder unhöflich wäre; gerade das Gegenteil lässt die gehobene Distanz zum idealen Abstand werden. In seinem neuesten Werk „Die Ermordung des Commendatore“ schickt der verlässliche Kandidat für den Literaturnobelpreis seinen Protagonisten, einen irgendwo falsch abgebogenen Maler in seinen Mittdreißigern, von der Großstadt auf Sinnsuche in die Peripherie. Unterschlupf findet er hoch oben in den Bergen im atmosphärisch aufgeladenen Haus eines alten Künstlers, in dem alles ein bisschen an Österreich und Wien erinnert.

Es passiert - nicht viel: „Dann betrachtete ich das Bild mehrere Wochen lang, ohne viel anderes zu tun“, berichtet der Ich-Erzähler dem Leser, und doch kommt in der intensiven Leichtigkeit, die Murakamis Bücher kennzeichnet, nicht die Spur von Ermüdung auf. Auch weil sich hinter jeder sanften Falte dieser stillen Alltagswelt die surreale Mystik und Tiefe des Allgemeingültigen verbirgt. Sichtbar machen sie die Zeit und der Zufall. Etwa wenn der Protagonist am Dachboden seines neuen Domizils ein Gemälde entdeckt, das eine Szene aus Mozarts „Don Giovanni“ darstellt, und dem Bild verfällt. Oder wenn ihn die Geister der Vergangenheit just dann einholen, wenn er seinen reichen Nachbarn kennenlernt, der kein Gesicht zu haben scheint - und an dem er sich dennoch nicht sattsieht.

Es ist schwer, sich dem magischen Realismus des Autors zu entziehen: Wem es doch gelingt, der findet ihn wohl bemerkenswert platt. Typisch Murakami, möchte man sagen, und läge damit wohl auch nicht falsch. Alle Elemente, die seine große Leserschaft schätzen, finden sich im „Commendatore“ wieder: ein Mann, der das eine sucht und das andere findet. Das nötige Unterfutter liefert ein dichter Bezugsteppich aus Klassik und Popkultur. Kunst ohne Künstlichkeit, zeitlos und hineinziehend. Am Ende der Anfang: Der Fortsetzungsband erscheint am 16. April.