Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett. Das war gestern. Heute hat Mimi viele Gleichgesinnte. Und sie lesen Tag und Nacht. "Von Jung bis Alt interessieren sich viele Menschen für diese Art von Literatur", sagt Elisabeth Schippel. Sie betreibt seit zwei Jahren den "Krimisalon" in Wien-Mariahilf, eine Mischung aus Buchhandlung und Kaffeestube. Bei Lesungen trifft sich hier eine wachsende Community.

In den Regalen herrscht Mord und Totschlag. Literarisches von Wolf Haas über Thomas Raab bis Stefan Slupetzky, Regionales von Edith Kneifl über Alfred Komarek bis zu Herbert Dutzler, Blutiges von Ursula Poznanski über Bernhard Aichner bis Marc Elsberg und Internationales von Georges Simenon über Martin Walker bis zu Donna Leon. Die Auswahl ist riesengroß. "Die Krimi-Geschmäcker sind sehr verschieden", sagt Schippel. "Aber ich habe noch für jeden einen wunderbar passenden Krimi gefunden."

Rund 15 Prozent beträgt der Anteil der Spannungsliteratur am gesamten österreichischen Buchmarkt, mehr als der gesamte Sachbuch-Bereich (13 Prozent). "Die Kriminal-Literatur hat eine hohe Beständigkeit in der Nachfrage und ist kaum Schwankungen unterworfen", sagt Gustav Soucek, Geschäftsführer des Hauptverbands des Österreichischen Buchhandels. "Die Begeisterung dafür beginnt vor allem bereits in jungen Jahren und bleibt dann konstant. Es ist eine Besonderheit, dass es viele Krimiautoren schaffen sich ihre Leserschaft früh aufzubauen und zu behalten. Dieses Genre findet daher auch immer mehr Einzug im Segment Kinder- und Jugendbuch."

Mit dem Jugendthriller "Erebos" rund um ein Computerspiel hatte die Wienerin Ursula Poznanski 2010 einen starken Auftritt auf dem Markt. Der Erfolg ihres mittlerweile in mehr als 23 Sprachen übersetzten und mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichneten Buches war Grund für die ehemalige Medizinjournalistin, das Metier zu wechseln. Heute liefert die 50-Jährige jährlich je einen Krimi für Jugendliche und Erwachsene und zählt zu den heimischen Autoren mit der höchsten Auflage. "Österreich hat eine unglaublich vielfältige und permanent in den deutschsprachigen Bestsellerlisten zu findende Krimi-Autorenschaft", unterstreicht Soucek. "Österreich ist Krimiland", ist sich auch Günther Wildner sicher, der als literarischer Agent und PR-Mann seine Nase im Wind hat.

Eine, die über den heimischen Boom aus erster Hand zu erzählen weiß, ist Linda Müller, Krimi-Lektorin im stark auf Kriminalliteratur setzenden Innsbrucker Haymon-Verlag. "'Polt' von Alfred Komarek war einer der ersten erfolgreichen österreichischen Krimis. Seither hat sich unglaublich viel getan", weiß sie. "Über 500 Manuskripte landen pro Jahr auf meinem Schreibtisch. Viele unterschätzen, was zum Krimischreiben dazugehört. Es ist mehr als das Verbrechen. Hinter einem Erfolg steckt harte Arbeit."

Müller glaubt, dass die Zeiten, als in den Feuilletons die Spannungsliteratur ignoriert wurde, vorbei sind. "Die Wahrnehmung durch die Literaturkritik wird besser. Das Bewusstsein für literarisch hochwertige Krimis steigt. Dennoch sind persönliche Empfehlungen wichtig, etwa auf social reading Plattformen oder durch Mundpropaganda. Auch der vor zwei Jahren gegründete Österreichische Krimipreis ist sehr gut angenommen worden."

Für die Lektorin sind Krimis weit mehr als reiner Nervenkitzel. "Man kann seine Wahrnehmung für viele brisante Themen wie etwa Migration oder Gewalt gegen Frauen schärfen, ohne dabei belehrt zu werden", meint sie und ortet "einen Trend zu starken Frauenfiguren. Heute sind Frauen auch Täter und Ermittler, früher waren sie oft stark auf die Opferrolle beschränkt." Auch das reine Schwarz-Weiß-Denken gehöre der Vergangenheit an. "Figuren haben heute generell mehr Tiefe. Das schematisch gezeichnete Böse gibt es nicht mehr. Täterfiguren kann man heute besser nachvollziehen, während auch Ermittlerfiguren dunkle Seiten haben können"

Das trifft etwa auf den Ermittler Maarten S. Sneijder zu, den der in Niederösterreich lebende Autor Andreas Gruber ersonnen hat, und der Held von mittlerweile vier Thrillern ist. Für Günther Wildner ist Gruber ein Beispiel dafür, "dass österreichische Autoren mittlerweile auch im härteren Genre sehr erfolgreich sind". Nach dem Boom, der über den literarischen Krimi hin zum Regiokrimi und dann zum Thriller geführt hat, sieht der Literatur-Agent "jetzt ein bisschen Stagnation. Alle suchen nach dem nächsten großen Ding. Der Markt hat einerseits eine gewisse Sättigung, braucht aber andererseits neue Namen, neue Geschichten, neue Gesamtpakete. Denn es ist längst nicht mehr nur das Buch selber, sondern immer mehr das Gesamtpaket, auf das es ankommt." Es bleibt also spannend. Für die Spannungsliteratur ja wohl so etwas wie die Geschäftsgrundlage...