Die Beatles sangen noch: "Tomorrow never knows" (Keiner weiß, was morgen ist). Wieso wissen die Trendforscher immer alles?

Tristan Horx: Weil Trendforschung Gegenwartskunde ist und auf Zahlen basiert. Ein Trend ist ein Entwicklungsvektor, damit bekommt man messbare Ergebnisse heraus. Die Basis sind Statistiken und Studien.

Und kein Blabla?
Die Menschen verwechseln die Trendforschung häufig mit Zukunftsforschung, bei der tatsächlich meist über Denkmodelle gearbeitet wird. Aber momentan gibt es ohnehin eine Blockade der Zukunft.

Was heißt das?
Die Menschen pendeln zwischen den Sorgen vor dem Monatsende, weil alles so teuer ist, und der Angst vor dem Ende der Welt aufgrund der Krisen und des Kriegs in Europa.

In Ihrem jüngsten Buch "Sinnmaximierung" geht es darum, wie wir künftig arbeiten wollen. Und?
Uns Millenials ist die Sinnfrage immens wichtig. Und wer den Eindruck hat, etwas Sinnvolles zu leisten, ist auch produktiver.

Könnte es nicht auch ein guter Schmäh sein, seinen Mitarbeitern Purpose, also Sinn, vorzugaukeln, um letztlich noch mehr Leistung aus ihnen herauszuholen?
Es ist kein Schmäh, wenn Menschen spüren, dass ihre Arbeit einen Sinn hat. Wenn das Unternehmen dann auch die Produktivität steigert, ist das gut. Seit den 50er-Jahren ist die Produktivität pro Arbeitsstunde kontinuierlich gestiegen. Nur der Reallohn hat für die Jungen – im besten Fall – stagniert.

Welche Schlüsse werden daraus gezogen?
Der Begriff Work-Life-Balance kam ja eigentlich von der Generation der Babyboomer. Denn auch die sind irgendwann draufgekommen, dass sie sich zwar viel aufgebaut haben, sich aber nicht selten zu Tode gearbeitet haben. In unserer industrialisierten Arbeitswelt haben sich viele Jüngere ins Quiet Quitting zurückgezogen, sie machen nur das Notwendige und fokussieren sich mehr auf das Private, weil sie erstens wenig verdienen und auch nicht wirklich wertgeschätzt werden.

Waren die Babyboomer nicht hungrig auf Arbeit und Aufstieg? Sind die Millenials zu satt?
Es gab einfach viele von der Generation Babyboomer, sie hatten eine demografisch gute Zeit und wurden in der Blüte der Industrialisierung groß. Das Klischee, dass die Jungen nicht mehr arbeiten wollen, hat auch zu Zeiten der Babyboomer gegolten, als diese noch jung waren. Das kann man ja nachverfolgen, seit es Zeitungen gibt, denn Jahr für Jahr wurde getitelt: "Die Jungen wollen nicht mehr arbeiten!" Das hat früher nicht gestimmt und stimmt auch jetzt nicht. Schon zu Platos Zeiten hieß es, dass die Jungen verdummen, weil sie nicht lesen. Das ist ein Urklischee, das vielleicht daher rührt, dass man als Mensch irgendwann auf Jüngere angewiesen ist und sie gefügig machen möchte, solange man noch die Zeitgeist bestimmende dominierende Gruppe ist. Letztlich war es im Lauf der Geschichte aber stets so, dass sich das neue Sinnvolle mit dem alten Guten verbunden hat.

In Ihrem Buch "Unsere Fucking Zukunft" plädieren Sie für Rebellion. Was ist gut daran?
Mit einer Rebellion will man Situationen innerhalb eines Systems verbessern. Im Gegensatz zur Revolution soll ein System dabei nicht zerstört werden. Der Generationenvertrag kann nur klappen, wenn man das Rebellische und Hinterfragende der Jungen mit dem Erfahrungswert der Älteren kombiniert. Rebellion ist der gesellschaftliche Motor für Innovation. Fridays for Future machen ja eigentlich eine sehr klare Rebellion. Kein Unternehmen, keine politische Gruppe kann es sich leisten, deren Anliegen zu ignorieren, auch wenn’s mit der Umsetzung der Ziele noch nicht wirklich klappt.

Fliegen Sie selbst weniger, fahren Sie weniger mit dem Auto?
Ich fahre mit E-Auto, fliege dienstlich aber viel, zahle den E-Fuel-Ausgleich. Vielleicht ist das aber nur eine Augenauswischerei. Ich fahre allerdings viel mit dem Fahrrad. Und ich esse, und da ist die Liebe dran schuld, fast kein Fleisch mehr.

Wieso nicht?
Vegane Freundin halt, was soll man tun?

Nachhaltigkeit ist Ihrer Generation sehr wichtig, etwa auch im Modebereich. Wird die Mode politisch?
Mode war schon immer politisch, aber in der Generation X und bei den Boomern ging es eher um Antimode, man mochte Punk, Grunge oder Gothic. Qualität ist heute einer der Hauptindikatoren für das Kaufverhalten. Und Qualität ist meistens sozioökonomisch verträglicher.

Bei allem Respekt: Letztlich ist das immer auch eine Frage des Einkommens.
Das ist der Vorwurf, den man dieser woken Generation Z macht, die zwar gegen den Klimawandel protestiert, aber bei Primark einkaufen geht. Aber das hängt auch mit der realen Kaufkraft zusammen. Bei den Babyboomern war es noch nicht so, dass man mehr als die Hälfte seines Geldes für Fixkosten ausgeben musste. Es bleibt heute für junge Menschen einfach nicht genug Geld, um so vorbildlich leben zu können, wie man möchte. Also läuft es bei meiner Generation dann eher auf den Verzicht hinaus.

Wo sehen Sie sich selbst in zehn Jahren?
Ich komme vermutlich aus meinen archaischen Strukturen nicht heraus. Ich bin eher der Typ CO₂-armes Einfamilienhaus, E-Auto, Frau und Kinder.

Wurde nicht schon das Ende dieser alten Familie proklamiert?
Es hieß immer schon, die alten Familienmodelle sterben aus, alle werden polygam, und das Einfamilienhaus ist out und schlecht fürs Klima. Aber es gibt im Menschen evolutionär verankerte Bedürfnisse: die eigene Höhle, die Familie. In einer neuen Generation-Z-Studie zeigt sich, dass bei denen noch viel mehr heiraten wollen, als in meiner Generation. An zwei renommierten Universitäten in der Schweiz und in Deutschland wurde eine Umfrage unter Frauen gemacht. Was herauskam? Alle diese Frauen, die auf Topkarrieren zusteuern, wünschen sich einen Mann, der im Notfall auch allein die Familie ernähren könnte. Statusfragen sind in Zeiten der sozialen Unsicherheit immer attraktiver. Deshalb kommt in der Generation Z auch so eine altchauvinistische Männerkultur wieder.