Beginnen wir die Betrachtungen doch nach Art eines Beipacktextes über Wirkung und Nebenwirkung eines Wunderwerkes, das den schlichten, aber auf Anhieb recht einprägsamen Titel „S.“ trägt. Wer das Buch zum ersten Mal in Händen hält, muss mit folgenden Begleiterscheinungen rechnen: restloses Staunen, Verblüffung bis zur Fassungslosigkeit, Nostalgieschübe, kombiniert mit berührenden Erinnerungen an Zeiten, wo man selbst das eine oder andere Buch aus einer Bibliothek entlehnte. Sollten sich weitere Symptome einstellen, können diese, falls im Buch noch Platz dafür vorhanden ist, einfach dazu notiert werden.

„S.“ ist ein Gesamtkunstwerk, dem man in dieser Raffinesse, aber auch in seiner schier grenzenlosen Liebe für kleinste Details bestenfalls alle Schaltjahre einmal begegnet. Der gefinkelte Autor Doug Dorst tat sich für diese Glanztat mit J. J. Abrams zusammen. Sollte dieser Name Assoziationen auslösen, sind sie mit ziemlicher Sicherheit zutreffend: Er führte Regie beim aktuellen „Star Wars“-Film, hebt aber auch literarisch imposant ab.

Buch im Buch

Das Duo schuf ein Buch im Buch im Buch. Eine Endlosgeschichte, die damit beginnt, dass der Roman mit dem Untertitel „Das Schiff des Theseus“ höchst antiquarischen Eindruck erweckt. Das Papier wirkt bereits würdig vergilbt, die abenteuerliche Story ist an den jeweiligen Seitenrändern übersät mit Notizen und Anmerkungen, die sich unter anderem zu einer Beziehungsgeschichte formen.

Dazu gesellen sich, scheinbar zufällig als Lesezeichen eingestreut und von den „früheren Lesern“ im Buch vergessen, rund 20 Postkarten, Zeitungsausschnitte, Fotos, Briefe, die allesamt noch einmal eigene Geschichten erzählen.

Charmante Absage an E-Books

Es ist eine Reise durch die Gutenberg-Galaxie und eine Absage an E-Books, die hier virtuos unternommen wird. Wobei es eigentlich gar nicht mehr verwundert, dass auch der angebliche Autor der labyrinthischen, spannenden und rätselhaften Hauptstory, V. M. Straka, sich weigert, seine Identität preiszugeben. Da lässt das Ratespiel rund um das U-Boot Thomas Pynchon grüßen. Und bei den Irrfahrten des Protagonisten S. dienten Joseph Conrad, Karl May und Franz Kafka als Brüder im Geiste.

Ach, man muss all das selbst gesehen und halbwegs gelesen haben, um den Fantasiewert halbwegs ermessen zu können. Aber bloß nicht auf die Leihfrist vergessen! Denn die letzte Innenseite des Buchdeckels zieren als Zugabe etliche Entlehnstempel. Beginnend am 5. Nov. 1957 . . .