Zuerst die schlechte Nachricht: Das Grazer Artelier stellt seinen Produktionsbetrieb ein. „Die Kunstwelt hat sich verändert, Editionen werden immer schwieriger und teurer, man wird ja auch müde, und es gibt keinen Nachfolger“, gesteht Petra Schilcher, „aber 30 Jahre – das ist doch ein schöner Abschluss.“


Und? Gibt’s auch eine gute Nachricht? Was wird aus der einzigartigen Editions- und Multiple-Sammlung und dem Lager nahe dem Schlachthof, von Manfred Wolff-Plottegg geplant und von Peter Kogler fassadiert? „Da bin ich zu strengstem Stillschweigen verdonnert“, lacht die Galeristin, „wird erst bei unserer Jubiläumsfeier am Freitag, dem 30. Oktober, verraten.“ Gut so. Ende klingt anders, außerdem führt sie ja ihr Artelier Contemporary weiter.


Und am Anfang? War der Druck. Und der Druck ist Kunst geworden. Die Erfolgsgeschichte begann in der Siebdruckerei von Ralph Schilcher, wo seinerzeit Verkehrsschilder ebenso Farbe und Schrift annahmen wie Kartons für Marlboro-Schachteln. Dann kamen Künstler, die spezielle Plakate wollten. Dann kam die Idee: Setzen wir doch auf eine künstlerische Schiene!


Viel Enthusiasmus


Gedacht, getan. Petra und Ralph Schilcher gründeten 1985 die Galerie & Edition Artelier, „ohne Bauchweh, mit wahnsinnig viel Enthusiasmus“. Feuer und Flamme also. Und Farbe dazu. Immer mehr Künstler fanden jedenfalls in die kleine Werkstatt in Eggenberg, begeistert von den Möglichkeiten und der Farbbrillanz des relativ neuen Mediums.


Über den kreativen Tummelplatz Wien und die Galeristin Ursula Krinzinger fand man zur jungen Garde – etwa zu Hubert Schmalix, Thomas Stimm, Peter Kogler und Erwin Wurm, die das Serigraphieverfahren mit Verve nutzten und mit den Schilchers oft wochenlang für ihre Originale experimentierten.


„Genau diese Vierergilde, die uns an unsere Anfangszeiten erinnert, werde ich in einer Folge bis April in meiner Galerie präsentieren“, sagt Petra Schilcher, „als Dank, dass sie uns vertraut und geholfen hat und uns bis heute freundschaftlich verbunden ist.“ Mit Erwin Wurm ist schon einer da, der diesen Dank stets zurückgibt  – „das schönste Lob, das wir für unsere Arbeit erhalten können“, wie die gebürtige Tirolerin und deklarierte Kosmopolitin sagt.


Knallharte Partner


Die rasche Internationalisierung ihrer Projekte waren Petra und Ralph Schilcher neben den Kooperationen mit der heimischen Avantgarde und Kollegen wie Peter Pakesch von Beginn an wichtig. „Ein viel steinigerer Weg“, wie die Galeristin gesteht, „Leute wie der 1997 leider viel zu früh verstorbene Martin Kippenberger waren knallhart, aber dass sie uns treu blieben, zeigt wohl, dass wir vieles richtig gemacht haben. Das Geheimnis? „Vermutlich, dass wir selbst bei ausgefallensten Wünschen sagten: Wir versuchen alles, dass es möglich wird. Unsere seriöse Finanzpolitik, die meisten Projekte finanzierten wir sogar vor. Und dass uns immer die Künstler und ihre Arbeiten wesentlich waren und nicht ihre bloße Markttauglichkeit.“


Der beste Nachweis für diese Qualitäten ist die auf keine noch so lange Elle passende Liste an Künstlern, die auf Schilcher/Schilcher setzen – die Crème de la Crème, bis hin zu Sol LeWitt oder John Baldessari (siehe unten). Sie alle sind von dem Dreischritt „production, publishing & presentation“ der Grazer Rundumversorger angetan. Wobei es längst nicht mehr allein um Siebdrucke geht – sogar für Tapeten (US-Künstler Joseph Kosuth ließ Texte aus der Traumdeutung für das Freud-Museum in Wien drucken). Sondern auch um Skulpturen aus Acryl, Metallschatullen samt Prägungen, Rahmen aus Holz, um Fliesen, Podeste . . .


Geprüftes Taschengeld


Petra Schilcher, zu deren Jahreskreislauf früher die Kunstmessen von Köln, L. A, Madrid, Frankfurt, Chicago und Basel (27 Mal!) zählten, sieht sich seit jeher als „Vermittlerin, die wahren Leistungen kommen ja stets von den Künstlern“. Seit drei Jahren erhält die Mutter eines Sohnes nun schon „staatlich geprüftes Taschengeld“ vulgo Pension, lebt und liebt aber weiterhin den Unruhestand. Wie lange noch? Als Galeristin weiß sie genau: „Das hört nie auf.“ Na, hoffentlich!

MICHAEL TSCHIDA